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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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sagte er. » Geh nach Süden, Will Iwanowitsch. Geh.«
    Will nahm Mantel und Rucksack, unterdrückte das Schwindelgefühl und verließ das Haus des Priesters. Er folgte der Straße, die aus dem Dorf führte.
     
     
    Der Junge marschierte zwei Stunden lang. Die Übelkeit ließ allmählich nach und an ihre Stelle traten dumpf hämmernde Kopfschmerzen. Balthamos ließ ihn einmal anhalten und legte ihm seine kühlen Hände auf Nacken und Stirn. Das linderte die Schmerzen ein wenig. Trotzdem schwor Will sich, nie wie der Wodka zu trinken.
    Am späten Nachmittag wurde der Weg breiter, und das Schilf hörte auf. Will sah die Stadt vor sich und dahinter eine Wasserfläche, die endlos wie das Meer erschien. Sogar aus der Entfernung fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Jenseits der Dächer stieg in Abständen immer wieder Rauch auf, Sekunden später gefolgt vom Donnern einer Kanone. »Balthamos«, sagte er, »verwandle dich wieder in einen Dæmon.
    Bleib in meiner Nähe und warne mich, wenn Gefahr droht.«
    Will betrat die kleine, schmuddlige Stadt, deren Häuser sich noch gefährlicher zur Seite neigten als im Dorf. Der Schlamm, den die Überschwemmung hinterlassen hatte, klebte hoch über seinem Kopf an den Wänden. Die Straßen am Stadtrand waren menschenleer, doch als er sich dem Fluss näherte, hörte er immer lauter Rufe, Schreie und das Knattern von Gewehren.
    Dann sah er die ersten Menschen. Einige blickten aus Fenstern in hoch gelegenen Stockwerken, andere spähten ängstlich um Mauerecken zum Fluss hinunter. Über die Dächer ragten die metallenen Finger von Kränen und die Masten großer Schiffe.
    Eine zweite Explosion erschütterte den Boden, und in einem Haus neben Will ging eine Fensterscheibe zu Bruch. Die Beobachter an den Häuserecken verschwanden kurz, um gleich wieder aufzutauchen. Wieder waren Schreie zu hören.
    Will gelangte zum Ende der Straße und schaute am Ufer entlang. Nach und nach verzogen sich Rauch und Staub, und er sah in einiger Entfernung vom Ufer ein rostiges Schiff, das gegen die Strömung ankämpfte. Am Kai hatte sich um eine große Kanone eine mit Gewehren und Pistolen bewaffnete Menschenmenge versammelt. In diesem Augenblick wurde das Ge schütz wieder abgefeuert. Ein Blitz zuckte aus der Mündung, das Rohr fuhr zurück, und neben dem Schiff stieg eine Wasserfontäne empor.
    Will schirmte mit einer Hand die Augen ab. Auf dem Boot bewegten sich Gestalten, aber - er rieb sich die Augen, obwohl er schon wusste, dass es keine Menschen waren, die er da sah, sondern gewaltige Wesen aus Metall oder Tiere in voller Rüstung. Auf dem Vorderdeck des Schiffes schoss plötzlich eine Stichflamme in die Höhe, und die Menschen am Ufer schrien angstvoll auf. Ein Flammenball flog zum Himmel hinauf, stieg immer höher und kam Funken sprühend und eine Rauchfahne hinter sich herziehend näher. Mit einem gewaltigen Zischen landete er neben der Kanone. Schreiend liefen die Menschen auseinander. Einige rannten brennend zum Ufer, stürzten sich ins Wasser und wurden sofort von der Strömung mitgerissen.
    Will sah neben sich einen Mann stehen, der wie ein Lehrer wirkte. »Sprechen Sie Englisch?«, fragte er ihn.
    »Jawohl, ja.«
    »Was geht hier vor?«
    »Die Bären greifen an, und wir versuchen, gegen sie zu kämpfen, aber es ist schwierig, wir haben nur eine Kanone, und -«
    Wieder schleuderte der Feuerwerfer einen Batzen brennendes Pech in die Luft, und diesmal landete das Pech noch dichter neben der Kanone. Drei gewaltige Explosionen folgten. Offenbar war die Munition in Flammen aufgegangen. Die Kanoniere brachten sich eilends in Sicherheit.
    »Oh weh«, jammerte der Mann. »Das ist schlimm, jetzt können sie nicht mehr schießen -«
    Der Kapitän des Schiffes drehte bei und steuerte auf das Ufer zu. Durch die Menge am Ufer ging ein Aufschrei, denn auf dem Vorderdeck des Schiffes brannte wieder eine mächtige Flamme; einige feuerten ihre Gewehre ab und wandten sich zur Flucht. Diesmal schossen die Bären den Feuerball allerdings nicht ab. Wenig später ging das Schiff am Kai längsseits. Die Maschinen liefen volle Kraft voraus, damit es nicht mit der Strömung abtrieb.
    Zwei Matrosen, Menschen, keine Bären, sprangen an Land und schlangen Seile um die Poller. Die Einwohner der Stadt begrüßten die Verräter mit Zischen und wütenden Zurufen. Die Matrosen achteten nicht darauf und ließen eine Gangway herunter.
    Sie wollten gerade an Bord zurückkehren, als sich unweit von Will ein Schuss löste und

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