Das Bernstein-Teleskop
uns besucht. Sie sagt, dass ein Schiff mit Bären flussaufwärts unterwegs sei, mit Panzerbären. Sie kommen aus der Arktis. Du hast im Norden nicht zufällig Panzerbären gesehen?«
Der Priester sah ihn misstrauisch an, und Balthamos flüsterte so leise, dass nur Will es hören konnte: »Vorsicht.« Will wusste sofort, was er meinte. Sein Herz hatte aufgeregt zu schlagen begonnen, als Semjon Borisowitsch die Bären erwähnte, denn Lyra hatte ihm von ihren Erlebnissen mit den Bären erzählt. Er durfte seine Aufregung nicht zeigen.
»Wir waren weit weg von Svalbard«, sagte er deshalb, »und die Bären waren mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt.«
»Das habe ich auch gehört«, sagte der Priester zu Wills Erleichterung. »Aber jetzt verlassen sie ihre Heimat und kommen nach Süden. Sie haben einen Dampfer gemietet, doch die Einwohner der Stadt wollen ihnen keine Kohlen verkaufen. Sie haben vor den Bären Angst, und zu Recht - die Bären sind Geschöpfe des Teufels. Alles, was aus dem Norden kommt, ist des Teufels, wie auch die Hexen - Töchter des Bösen! Die Kirche hätte sie schon vor Jahren ausrotten sollen. Hexen hüte dich vor ihnen, Will Iwanowitsch, hörst du? Weißt du, was sie tun werden, wenn du im richtigen Alter bist? Sie werden versuchen, dich zu verführen. Die Hexen bieten dazu ihre ganze Schläue und Verschlagenheit auf, ihr Fleisch, ihre weiche Haut, ihre liebliche Stimme, und sie nehmen deinen Samen - du weißt, was ich meine - und trocknen dich aus, bis du ganz leer bist! Sie rauben dir deine Zukunft, die Kinder, die du hättest haben können, und lassen dir nichts übrig! Man muss sie töten, allesamt.«
Der Priester holte von dem Regal neben seinem Stuhl eine Flasche und zwei kleine Gläser herunter.
»Ich biete dir jetzt etwas zu trinken an, Will Iwanowitsch«, sagte er. »Du bist noch jung, also nur wenige Gläschen. Aber bald bist du erwachsen, und ein paar Sachen muss man wissen, zum Beispiel wie Wodka schmeckt. Lydia Alexandrowna hat die Kartoffeln letztes Jahr gesammelt und ich habe den Schnaps gebrannt. Diese Flasche hier enthält das Ergebnis, und sie ist der einzige Ort, an dem Otjez Semjon Borisowitsch und Lydia Alexandrowna innig vereint sind!«
Er lachte heftig, entkorkte die Flasche und füllte beide Gläser bis zum Rand. Will war immer weniger wohl in seiner Haut. Was sollte er tun? Wie konnte er sich weigern zu trinken, ohne unhöflich zu sein?
»Otjez Semjon«, sagte er und stand auf, »Sie sind sehr freundlich, und ich würde gern noch bleiben, Ihren Schnaps trinken und Ihnen zuhören, weil Sie so interessant erzählen. Aber Sie müssen verstehen, dass ich sehr traurig bin, von meiner Familie getrennt zu sein, und dass ich sie unbedingt wieder finden will. Deshalb muss ich weiter, so gerne ich auch bleiben würde.«
Der Priester schob die von einem dichten Bart bedeckten Lippen vor und runzelte die Stirn, doch dann zuckte er die Schultern. »Tja, wenn du meinst. Aber zuerst musst du noch den Wodka trinken. Hier, nimm das Glas und trinke es auf einen Zug aus, so!«
Er warf den Kopf zurück und stürzte den Schnaps hinunter. Dann stand er schnaufend auf und trat dicht vor Will. Das Glas in seinen dicken, schmutzigen Fingern sah winzig aus, aber es war randvoll mit der wasserklaren Flüssigkeit. Will roch das berauschende Aroma des Wodkas, den Schweiß des Mannes und seine muffige Soutane und ihm war schon jetzt übel.
»Trink, Will Iwanowitsch!«, rief der Priester mit bedrohlicher Herzlichkeit.
Will hob das Glas, ohne weiter nachzudenken, und stürzte die scharfe, ölige Flüssigkeit auf einmal hinunter. Jetzt musste er mit aller Macht gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfen.
Eine Prüfung hatte er allerdings noch zu bestehen. Semjon Borisowitsch beugte sich zu ihm hinunter und fasste ihn an den Schultern.
»Junge«, rief er, dann schloss er die Augen und stimmte ein Gebet oder einen Psalm an. Er verströmte einen intensiven Geruch nach Tabak, Alkohol und Schweiß, und er stand so nahe bei Will, dass sein dichter, auf und ab gehender Bart Wills Gesicht streifte. Der Junge hielt den Atem an.
Der Priester zog Will fest an sich und küsste ihn rechts, links und noch einmal rechts auf die Wangen. Will spürte, wie Balthamos seine kleinen Krallen in seine Schulter grub, und hielt ganz still, obwohl sich ihm der Kopf drehte und sein Magen nach oben drückte.
Dann war es endlich überstanden. Semjon trat zurück und schob ihn von sich weg.
»Geh jetzt«,
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