Das Bernstein-Teleskop
einer der Matrosen tot umfiel. Sein Dæmon, eine Seeschwalbe, verschwand, als hätte man sie wie einen brennenden Docht gelöscht.
Die Bären rasten vor Wut. Sogleich wurde der Feuerwerfer wieder angezündet und so gedreht, dass er zum Ufer zeigte. Erneut schoss ein Feuerball nach oben und ging als Flammenregen über den Dächern nieder. Am oberen Ende der Gangway erschien ein Bär, größer als die anderen, eine mächtige, ganz in Eisen gehüllte Erscheinung. Die Kugeln, mit denen er sofort überschüttet wurde, pfiffen und knallten, doch konnten sie seiner schweren Rüstung nicht die kleinste Delle zufügen.
»Warum greifen die Bären die Stadt an?«, fragte Will den Mann neben sich.
»Sie brauchen Kohlen. Aber wir handeln nicht mit Bären. Wenn die jetzt ihr Königreich verlassen und flussaufwärts fahren, wer weiß, was sie noch alles anstellen? Also müssen wir ge gen sie kämpfen. Piraten sind das, Räuber -«
Der große Bär kam die Gangway herunter, gefolgt von einigen anderen, die so schwer waren, dass sich das Schiff auf ihre Seite neigte. Will bemerkte, dass die Männer am Kai zu ihrer Kanone zurückgekehrt waren und sie mit einer Granate luden.
Auf einmal hatte er eine Idee. Er rannte zum Ufer und blieb auf dem freien Platz zwischen den Kanonieren und dem Bären stehen.
»Aufhören!«, brüllte er. »Hört auf zu kämpfen. Lasst mich mit dem Bären sprechen!«
Schlagartig wurde es still und alle starrten den Jungen an, der offenbar den Verstand verloren hatte. Der Bär, der sich gerade auf die Kanoniere hatte stürzen wollen, blieb stehen und bebte am ganzen Leib vor Angriffslust. Er grub seine gewaltigen Klauen tief in den Boden, und die schwarzen Augen unter dem eisernen Helm schossen wütende Blitze.
»Wer bist du?«, brüllte er auf Englisch, da Will in dieser Sprache gesprochen hatte. »Was willst du?«
Die gaffenden Menschen sahen einander verwirrt an. Diejenigen, die Englisch verstanden, übersetzten für die anderen.
»Im Zweikampf gegen dich antreten«, rief Will. »Und wenn du unterliegst, muss das Kämpfen aufhören.«
Der Bär rührte sich nicht. Die Menschen am Ufer brachen, sobald sie verstanden, was der Junge gesagt hatte, in Gejohle und höhnisches Gelächter aus, allerdings nicht lange. Denn Will drehte sich zu ihnen um und starrte sie kalt und unbewegt an, bis ihr Lachen verstummte. Balthamos hockte in Amselgestalt zitternd auf seiner Schulter.
Als alle schwiegen, rief Will: »Wenn ich den Bären bezwinge, müsst ihr ihm dafür Kohlen verkaufen. Dann fahren die Bären weiter flussaufwärts und lassen euch in Ruhe. Aber Kohlen müsst ihr ihnen verkaufen, sonst bringen sie euch alle um.«
Er wusste, dass der gewaltige Bär nur wenige Meter hinter ihm stand, doch drehte er sich nicht um. Die Einwohner der Stadt begannen heftig zu gestikulieren und zu diskutieren, und nach einer Weile rief jemand: »He du! Bring den Bären zum Einlenken!«
Will drehte sich um. Er schluckte, holte tief Luft und rief: »Bär! Bist du einverstanden? Wenn du mir unterliegst, hört das Kämpfen auf. Du kannst Kohlen kaufen und ungehindert den Fluss hinauffahren.«
»Unmöglich«, brüllte der Bär. »Es wäre eine Schande, gegen dich zu kämpfen. Du bist so schwach wie eine Auster ohne Schale. Ich kann nicht gegen dich kämpfen.«
»Stimmt«, sagte Will, inzwischen vollkommen auf die wilde Bestie vor ihm konzentriert. »Ein fairer Kampf wäre das nicht. Du hast deine Rüstung und ich habe keine. Du könntest mir mit einem Tatzenhieb den Kopf abschlagen. Gut, dann sorge für Abhilfe. Gib mir einen Teil deiner Rüstung ab, irgendwas, zum Beispiel den Helm. Dann sind wir einander eher ebenbürtig, und du brauchst dich nicht zu schämen, gegen mich zu kämpfen.«
Mit einem wütenden Knurren, das Hass, Wut und Verachtung in sich vereinte, langte der Bär mit der Tatze nach oben und löste die Kette, mit der sein Helm befestigt war.
Am Ufer rührte sich inzwischen nichts mehr. Niemand sprach, niemand bewegte sich. Die Menschen spürten, dass etwas geschah, was sie noch nie erlebt hatten, ohne dass sie das mit Worten hätten ausdrücken können. Die einzigen Geräusche stammten vom Klatschen des Wassers gegen die hölzernen Pfähle am Ufer, dem Stampfen der Schiffsmotoren, dem unermüdlichen Geschrei der Möwen und schließlich noch dem lauten Klappern des Helms, den der Bär Will vor die Füße warf.
Will setzte seinen Rucksack ab und griff nach dem Helm. Er konnte ihn kaum hochheben, so schwer war
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