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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ihm einen intensiven Blick aus ihren weit aufgeschlagenen blauen Augen. Dem konnte er selten widerstehen. Wenn auch seine drei Töchter allesamt über zwanzig waren und seine Gattin seit fünf Jahren im Grab ruhte, so erfreute er sich doch gern ihrer Gesellschaft. Das Geplänkel mit Christoph letztens kam ihr in den Sinn. Hastig redete sie weiter: »Es gibt kaum etwas Wichtigeres für mich als die Rezeptur dieser Salbe. Umso dankbarer bin ich Euch für Eure rückhaltlose Unterstützung. Seit Monaten arbeiten wir daran. Vielleicht stehen wir tatsächlich kurz davor, das Geheimnis zu lüften. Lasst uns also auf dem kürzesten Weg in Eure Apotheke eilen. Vielleicht kann uns wieder eine Eurer bezaubernden Töchter zur Hand gehen? Dann können wir die verschiedenen Ingredienzien schneller mischen.«
    Bei der Erwähnung seiner Töchter runzelte der Kneiphofer Apotheker die Stirn. »Schön, dass Ihr für zwei oder drei Stunden mit mir daran arbeiten wollt. Bis Mittag sind wir vielleicht wirklich ein wesentliches Stück weiter.«
    »Euer Wort in Gottes Ohr.«
    Den Rest des Wegs gingen sie schweigend nebeneinander, grüßten gelegentlich entgegenkommende Bekannte oder hielten an, weil Heydrich einem seiner Kunden einen guten Rat zu besonderen Tropfen, insbesondere zur Einnahme seines berühmten Theriaks, erteilte. Bald hatten sie die prächtige Apotheke in der Magistergasse erreicht. »Bitte schön!« Heydrich öffnete die Tür und ließ Carlotta den Vortritt.
    Wie so oft, wenn sie die großzügig angelegte Offizin betrat, schlug ihr Herz schneller. Unter andächtigem Schweigen sah sie sich um. Das war doch eine ganz andere Ordnung als in Pantzers Apotheke im Löbenicht! Vieles in der mit dunklen Regalen und Schubladenschränken bis unter die hohe Decke bestückten Offizin erinnerte sie an die Schwanenapotheke von Doktor Petersen in Frankfurt am Main. Allerdings legte Heydrich im Gegensatz zu seinem ihm unbekannten Frankfurter Kollegen Wert darauf, im Verkaufsraum keine getrockneten Kräuterbüschel aufzubewahren. Auch Säcke mit Gewürzen, den teuren Kaffee- oder Kakaobohnen suchte man dort vergeblich. Dafür gab es einen kleinen Lagerraum, der Offizin und Laboratorium voneinander trennte. Von dort strömte der vertraute Duft nach Thymian, Rosmarin, Lavendel und Minze in den Verkaufsbereich. Carlotta schenkte den vielen Tiegeln, Gefäßen und Kisten diesmal nur einen flüchtigen Blick. Ohne auf Heydrichs ausdrückliche Aufforderung zu warten, ging sie ins Laboratorium hinüber.
    »Oh, Besuch«, krähte eine der Töchter und sprang so stürmisch vom Schemel, dass er nach hinten kippte. Verschämt wischte sie die Finger an ihrem Kleid ab, doch die süße Latwerge klebte fest. Carlotta verkniff sich ein Lachen. Ein Blick in die Runde der drei bestätigte ihren Verdacht. Die üppigen Damen wiesen an Gesicht und Händen samt und sonders verräterische Spuren des unerlaubten Genusses auf. Wie unartige Kinder senkten sie die Köpfe.
    Heydrich holte Luft. Die Spitzen seines weißen Bartes zitterten. Beherzt kam Carlotta seinem Schimpfen zuvor: »Einen wunderschönen guten Morgen, meine Damen. Euer Vater war so freundlich, mich wieder einmal in sein Laboratorium zu bitten, um an der Rezeptur zu arbeiten. Wollt Ihr uns dabei unterstützen?«
    »Oh, ich glaube, die Waschfrau benötigt meine Hilfe. Entschuldigt mich bitte.« Else, die mit hochrotem Kopf den umgefallenen Schemel wieder aufgestellt hatte, drückte ihren breiten Körper schnaufend an ihnen vorbei in die Diele. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, erhob sich Minna, die älteste Heydrich-Tochter, und lächelte entschuldigend.
    »Ich muss vorn in der Offizin einige Tabletten richten und die Kisten mit den Mineralien sortieren. Die Witwe Ellwart wird gleich ihre Medizin abholen wollen.«
    Damit verschwand auch sie. Zurück blieb lediglich Friederike, die mittlere und blasseste der drei Apothekertöchter. Ihr gelang es nie, rechtzeitig eine Ausrede zu finden. Wortlos fügte sie sich in ihr Schicksal und begann, die Schüssel und Löffel mit den Resten der Latwerge wegzuräumen. Carlotta entledigte sich ihrer Heuke. Die Heydrich-Töchter waren ihr ein Rätsel. Sie begriff einfach nicht, warum sie ihr so beflissen aus dem Weg gingen.
    »Da seht Ihr einmal wieder, wie hart mich das Schicksal getroffen hat«, brummte Heydrich. »Viel zu früh hat mich meine brave Frau mit diesen drei missmutigen Töchtern allein gelassen. Hätte ich nur einen Sohn, der mir tatkräftig zur Hand

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