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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Schließlich wird er jetzt, da du ihn so schwach gesehen hast, nie und nimmer die Hand nach dir ausstrecken und dich in seinem Haus dulden. Er kann das einfach nicht. Jedes Zusammentreffen mit dir wird ihn fortan daran erinnern, dass er sich einmal nicht selbst helfen konnte und auch ich, sein studierter Sohn, ihm nicht habe beistehen können. Du dagegen schon. Dabei bist du eine Frau, eine einfache Wundärztin, ohne jedwedes Studium der Medizin, blutjung noch dazu. Tag für Tag beweist du, dass du das Metier der Heilkunst weitaus besser verstehst als jeder andere hochgelehrte Medicus hier in unserer prächtigen Stadt. Dass du meinen Vater so hilflos gesehen hast, wird er dir nicht verzeihen können, genauso wenig, wie er mir mein Versagen je vergeben wird. Deshalb müssen wir beide fort von hier, je eher, desto besser.«
    »Ach, Christoph!«, hauchte sie wieder. Sie drückte das Gesicht tiefer in die Falten seines Mantels, sog wie eine Ertrinkende den darin hängenden Geruch des Wollfetts und des Lavendels ein, bis sie sich endlich stark genug fühlte und auch der Verstand seine Dienste wieder aufnahm. Obwohl ihr nicht zum Spaßen zumute war, zwinkerte sie Christoph zu. »Dann müssen wir also doch die dunklen Kräfte bemühen und uns auf die magische Seite der Wundarztkunst werfen. Ab morgen sammele ich geheimnisvolle Kräuter und lege ein Buch mit Wunderrezepten an. Mal sehen, was ich an gehäuteten Hühnerknochen, zerstoßenen Käferlarven und giftigen Wurzeln bei uns im Haus auftreiben kann. Hedwig wird mir gewiss noch den einen oder anderen Spruch mit auf den Weg geben. Und Lina kennt bestimmt ein paar Dörfer auf dem Weg von hier nach Insterburg, in denen wir im Winter unterschlüpfen können. So gewappnet, steht uns also die halbe Welt offen.«
    »Du willst einfach nicht verstehen, dass uns keine andere Wahl bleibt, wollen wir wirklich zusammen sein.« Christoph ging nicht auf ihren Scherz ein. »Schließlich dachte ich, wenigstens darüber sind wir uns einig. Aber vielleicht habe ich das auch wieder einmal falsch verstanden, wie so vieles, was du in der letzten Zeit getan hast. Ich bin eben nicht so klug wie du. Du siehst ja: Selbst nach all den Jahren an den besten Universitäten kann ich nicht einmal meinem ohnmächtigen Vater beistehen.«
    »Du weißt genau, dass ich auch in einer schlichten Höhle mit dir leben würde«, entgegnete sie und suchte den Blick seiner grauen Augen. »Solange du bei mir bist, ist alles andere nicht wichtig.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich!«
    Wieder fielen sie einander in die Arme, versanken in einem leidenschaftlichen, nicht enden wollenden Kuss. Dabei krallte Carlotta die Finger in seine Arme, fest entschlossen, ihn nie mehr loszulassen.
    15
    I st es denn die Möglichkeit? Mitten auf der Straße – und am helllichten Tag!«
    Christoph entfuhr ein Stöhnen, und Carlotta zuckte zusammen, als sie die wohlbekannte Stimme Caspar Pantzers vernahmen.
    »Du triffst wahrlich immer den falschen Moment«, murrte Christoph. Nur widerwillig gab er Carlotta frei, ließ den Arm allerdings um ihre Schultern liegen, als fürchtete er, der Freund machte sie ihm streitig.
    »Ich sehe es eher so, dass ich genau im richtigen Moment auf euch treffe. Wenn ihr hier noch lang ausharrt, gefriert ihr zu Eis. Ganz abgesehen davon, dass sich bereits die ersten Gesichter neugierig an die Fensterscheiben pressen. Dass der Sohn des kurfürstlichen Leibarztes aus der Altstadt ohne jedwedes Schamgefühl die Tochter der Kneiphofer Bernsteinhändlerin Grohnert direkt am Löbenichter Malzbrauerbrunnen küsst, lässt sich keiner entgehen. Folgt mir besser unauffällig in meine Apotheke. Ich verspreche euch, dort könnt ihr für euch sein. Meine Köchin bereitet euch ein schlichtes Mahl, und ansonsten stört euch niemand, solange ihr es nicht wollt.«
    Carlotta und Christoph genügte ein kurzer Blickwechsel, um sich zu verständigen. Willig begleiteten sie Pantzer das kurze Stück bis zu dessen Haus.
    »Am besten geht ihr ins Laboratorium«, schlug der Apotheker vor, als sie die düstere Offizin betraten. »Dort wagt sich meine Köchin nicht hinein, wenn ich sie nicht ausdrücklich darum bitte. Hier, nehmt den Leuchter mit. Besonders hell ist es heute nicht dort hinten.«
    Er reichte Christoph einen Kandelaber, entzündete die Kerzen an den Lichtern, die bereits auf dem Verkaufstresen brannten, und nickte ihnen aufmunternd zu. »Den Imbiss werde ich euch höchstpersönlich servieren. Es ist mir eine Ehre, das für

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