Das Bernsteinerbe
Grohnert bestens bekannt. Falls Ihr Zweifel an der Zusammensetzung hegt, solltet Ihr sie selbst danach fragen. Meine Hilfe ist dabei wohl kaum vonnöten.«
»Wenn das so einfach wäre, würden wir Euch gar nicht erst bemühen«, meldete sich die blonde Leuwenhoeck zu Wort. Ihre Stimme klang sehr melodisch, wenn ihr auch ein besonderer Akzent zu eigen war. Aufgrund der leicht kehligen Aussprache vermutete Carlotta, dass sie aus der Gegend der Niederlande oder Flanderns stammte. Wundarzt Koese sprach ähnlich, und der war in Gent gebürtig.
»Ihr könnt Euch denken, dass wir Euer absolutes Stillschweigen über die Angelegenheit voraussetzen.« Makellos blinkten die weißen Zähne der Fremden, als sie Pantzer anlächelte und ihre Hand auf die seine legte. Das verfehlte nicht seine Wirkung. Ein weiteres Mal hob der Apotheker die Phiole prüfend vor die Augen und seufzte leicht.
»Täusche ich mich, oder ist das die Essenz, mit der die verehrte Frau Grohnert den unglücklichen Gerke behandelt hat? Vermutlich wollt Ihr wissen, was genau sie ihm verabreicht hat. Und ob es in einem Zusammenhang mit seinem plötzlichen Ableben steht.«
»Sofern man bei einem Mann seines Alters noch von einem plötzlichen Ableben sprechen kann«, ergänzte Helmbrecht. Es war deutlich, wie ernst ihm dieser Hinweis war. Ein wenig beruhigte Carlotta das, zeigte es doch, dass Magdalenas Sache bei ihm noch nicht ganz verloren war. Warum sonst lag ihm daran, keine vorschnellen Schlüsse über Gerkes Tod zu ziehen, selbst wenn die Gerüchte darüber seit zwei Wochen in der Stadt kräftig gärten? Lediglich das Zusammentreffen mit den Ereignissen um Roths unglückselige Verhaftung und das undurchschaubare Geschehen auf dem kurfürstlichen Landtag verhinderten wohl, dass es bislang zu ernsthaften Konsequenzen für Magdalena gekommen war.
»Nun gut«, willigte Pantzer ein. »Doch Ihr wisst, wie abwegig es ist, der verehrten Magdalena Grohnert böse Absichten zu unterstellen. Sie hatte nicht den geringsten Grund, Gerke etwas zuleide zu tun.«
»Ich denke, darüber sind wir uns einig«, erwiderte Helmbrecht.
»Bevor ich die Reinheit dieser Essenz bestimme, müsst Ihr mir allerdings noch eins verraten«, schob Pantzer nach und sah die Frau eindringlich an. »Woher habt Ihr die Phiole?«
»Macht Euch keine Gedanken«, schaltete Helmbrecht sich ein, obwohl Pantzer seine Frage ausdrücklich an die Blonde gerichtet hatte. »Es geht alles mit rechten Dingen zu. Der verehrten Frau Leuwenhoeck ist es tatsächlich gelungen, Dorothea Gerke dazu zu bewegen, ihr die Essenz zu geben, sogar sämtliche weitere Phiolen, die sie davon besaß.«
»Hm.« Mehr ließ Pantzer dazu nicht verlauten.
»Wann können wir mit Eurer Nachricht rechnen?«, wollte Frau Leuwenhoeck wissen und raffte ungeduldig den dicken Stoff des kobaltblauen Rocks.
»Bis Ende der Woche«, entgegnete Pantzer knapp und empfahl sich dem Besuch mit einer tiefen Verbeugung.
»Nichts für ungut«, raunte Helmbrecht ihm leise zu und folgte der Fremden nach draußen.
»Was sagt ihr dazu?« Pantzer stöhnte auf, sobald die Tür hinter den beiden ins Schloss gefallen war. In wenigen Schritten stand er bei Carlotta und Christoph. »Tut mir leid, aber ihr zwei Turteltauben müsst euer Stelldichein nun doch in andere Gefilde verlegen. Wie es scheint, brauche ich dringend Ruhe in meinem Laboratorium.«
Angesichts seines anzüglichen Schmunzelns begann Carlotta mit hochrotem Gesicht, die Ösen ihres Mieders zu schließen. Auch Christoph fuhr sich verlegen durch das aschblonde Haar, ordnete den Kragen seines eleganten Hemdes und strich das reichbestickte Wams über den Hüften glatt.
»Wieso kommen die beiden mit der Essenz ausgerechnet zu dir?«, fragte Christoph.
»Zu Heydrich konnten sie schlecht gehen«, erwiderte Carlotta. »Und jeder andere Apotheker im Kneiphof oder der Altstadt hätte gleich gewusst, worum es geht.«
»Das habe ich auch«, warf Pantzer leicht gekränkt ein.
»Bei Euch aber kann Helmbrecht sicher sein, dass Ihr Stillschweigen über die Angelegenheit bewahrt«, stellte sie fest. »Jeder andere würde das Auftauchen der Phiole hämisch herausposaunen, schon allein, um meiner Mutter zu schaden. Denkt nur an den Vorfall in der Börse letztens. Wie von Sinnen ist die Witwe Gerke auf meine Mutter zugestürzt, und alle haben neugierig gelauscht.«
»Ich glaube, dass Ihr Euch das nicht allzu sehr zu Herzen nehmen müsst, meine Teure«, beschwichtigte Pantzer. »Es kann doch gut sein,
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