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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Stimme: »Carlotta, glaub mir: Nichts hätte ich in jener Nacht lieber getan, als mich vor deine Mutter zu stellen und die bösen Unterstellungen deiner Tante zurückzuweisen. Doch ich hatte eine Mission, die ich kurz vor dem Ziel nicht aufs Spiel setzen durfte. Ich musste bei den Reisenden bleiben, koste es, was es wolle. Deine Mutter weiß das und hat mir verziehen.«
    Carlotta schaute zu ihrer Mutter, die kaum merklich nickte.
    »Er hat recht, mein Kind. Wir haben das längst miteinander geklärt. Er konnte damals nicht offen gegen die Mitreisenden aufbegehren. Der Erfolg seines Geheimauftrags durfte nicht gefährdet werden. Im Nachhinein war das unser Glück, wie du weißt. Noch in derselben Nacht wurde die Reisegruppe überfallen. Lediglich Tante Adelaide, Mathias und Helmbrecht haben das Gemetzel überlebt. Die Empfehlungsschreiben Helmbrechts aber haben es uns ermöglicht, sicher bis Thorn zu gelangen. Selbst sein Pferd hat er uns überlassen, wie du dich noch erinnern wirst. Genau wie damals vertraue ich Helmbrecht auch jetzt. Er wird einen wichtigen Grund haben, warum er uns nicht nach Frauenburg gehen lassen will. Ich kann mir auch schon denken, welchen.«
    »So?« Carlotta blieb misstrauisch, was Magdalena jedoch nicht störte. Sie fasste sie an der Hand und erklärte geduldig: »Es ist wohl das Versprechen Tante Adelaide gegenüber. Nach dem Überfall auf die Reisegefährten hat er ihr zugesagt, niemandem zu verraten, wo sie steckt. An einem Ort, den niemand außer ihm kennt, hat sie noch einmal ein neues Leben begonnen. Das wird wohl Frauenburg sein. Eure Treue in allen Ehren, mein lieber Helmbrecht«, wandte sie sich lächelnd an ihn, »aber Ihr werdet verstehen, dass meine Tochter und ich derzeit nicht in der Lage sind, besondere Rücksichten zu nehmen. Wir reisen morgen ab, sagen Euch aber nicht, wohin. Damit habt Ihr Euer Versprechen gehalten. Was wir beide tun, steht eben außerhalb Eures Einflusses.«
    Er seufzte laut.
    »Das heißt also …«, hub Carlotta an, wurde aber von ungewöhnlichem Aufruhr unten in der Diele am Weiterreden gehindert. Es klang so, als dringe jemand gewaltsam ins Haus ein. Verwundert sahen sie einander an.

    25
    E nergische Stiefelschritte polterten die Treppe herauf. Hedwigs heiseres Krächzen sowie die aufgebrachten Rufe Millas und Linas begleiteten den Lärm. Offenbar versuchten sie, den ungestümen Besucher aufzuhalten. Im nächsten Augenblick flog bereits die Tür der Wohnstube auf.
    »Hier steckt ihr also!« Mathias’ große Gestalt tauchte im Türrahmen auf, die dunklen Augen waren bedrohlich zusammengekniffen, der dünne Oberlippenbart zitterte. Die Schöße seines blauen Rocks flatterten, als er in die Stube stürzte, die braunen Stiefel knallten über den Dielenboden. Direkt hinter ihm stürmte Steutner die Treppe herauf. Die Mägde und die Köchin sowie die beiden anderen Schreiber folgten in kurzen Abständen.
    »Braucht Ihr Hilfe?«, rief Steutner und machte Anstalten, sich auf Mathias zu stürzen. Die Mägde und Hedwig dagegen drängten sich im Türrahmen, unschlüssig, was sie von dem Auftritt halten sollten. Auch Breysig und Egloff wirkten verunsichert, ob sie mannhaft sein und Steutners beherztem Beispiel folgen oder sich besser wieder unauffällig zurückziehen sollten. Helmbrecht winkte ab, während die Mutter ermattet auf den nächsten Stuhl sank.
    »Liebes, einen Schluck Rosmarinwein!«, bat sie leise.
    Carlotta jedoch hielt die Augen starr auf den Eindringling in der kurfürstlichen Montur gerichtet.
    Trotz seiner offenkundigen Wut sah Mathias verletzlich aus. Er konnte ihrem Blick nicht standhalten. Das erinnerte sie an ihre letzte Begegnung vor wenigen Wochen am Pregelufer. Bevor sie zum Tresor ging, um das Gewünschte für die Mutter zu holen, raunte sie ihm zu: »Ich denke, du bist längst in Kolberg. Hast du nicht den aufmüpfigen Roth zu bewachen?«
    »Das käme dir wohl gut zupass!« Mathias nahm den breitkrempigen Hut ab und warf ihn auf den Tisch. »Wie du weißt, warte ich seit langem auf Nachricht von dir. Deshalb habe ich bei meinem Trupp um Urlaub gebeten. Roth kann auch von jemand anderem bewacht werden. Ich aber muss meine Angelegenheiten klären. Deshalb bin ich hier. Gut, auch deine Mutter und Helmbrecht anzutreffen. Dann können wir endlich alles gemeinsam bereden.«
    Er schaute zur offenen Tür, wo sich die dünne Milla mit weit aufgerissenen Rehaugen an Lina klammerte, die sich wiederum hinter Hedwigs breitem Rücken zu verbergen

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