Das Bernsteinerbe
Zukunft hoffen.«
»Du gibst ihm einen Kuss, mich aber zwickst du und machst seltsame Bemerkungen über unsere Zukunft?« Christoph schüttelte den Kopf. »Wie soll ich das alles verstehen?«
»Hast du etwa schon vergessen, was du mir in Aussicht gestellt hast?« Neckend sah sie ihn an. »Wir wollten gemeinsam über die Märkte ziehen und Wunderheilungen vollbringen. Eine Salbe wie diese hier wird fürs Erste unser Einkommen sichern. Denk daran: Sie hilft bei sämtlichen Verletzungen, insbesondere bei solchen, die sich ungestüme junge Burschen beim Raufen rund um die Märkte und Feste gern zuziehen.«
»Oder beim Kriegführen und sonstigen überflüssigen Händeln«, ergänzte Pantzer.
»Von törichten Verletzungen, die der eine oder andere beim Klettern auf morsche Leitern erleidet, ganz zu schweigen.« Frech grinste Christoph den Freund an.
»Weiß Heydrich von eurem Erfolg?« Schnell wurde Carlotta wieder ernst. »Gefährlich nah war er davor, das Rätsel der Salbe zu entschlüsseln.« Gleich hatte sie das böse Gesicht des alten Apothekers wieder vor Augen, hörte seine grässliche Stimme, wie er ihr drohte, damit sie für ihn beim alten Kepler vorsprach.
»Niemand weiß Bescheid«, beruhigte Pantzer sie. »Deshalb sind wir so schnell wie möglich hierhergekommen. Wie letztens schon beschlossen, wollte ich mich mit der hiesigen Apothekerin beraten und die Salbe bei ihr in Sicherheit bringen. Solange wir nicht wussten, was mit Euch und Eurer Mutter ist, haben wir niemandem von unserem Erfolg berichten wollen. Immerhin gehört die Salbe Eurer Mutter. Sie ist das wertvolle Erbe ihres früheren Meisters.«
»Danke für Eure Ehrlichkeit.« Sie nickte ihm zu. »Was ist mit der zweiten Rezeptur?«
»Ihr meint die Bernsteinessenz?« Pantzer zauberte eine braune Glasphiole aus einer weiteren Tasche seines Mantels. »Keine Sorge, auch da sind wir weitergekommen. Die Rezeptur stimmt fast genau mit Eurer anderen überein.«
»Fast heißt nicht ganz«, hakte sie nach.
»Genau!«, stimmte er mit einem ernsten Nicken zu. »So weit waren wir letztens schon, wie Ihr Euch erinnert. Inzwischen bin ich nach einigen Versuchen zu der Überzeugung gelangt, dass im Unterschied zu der Aufbereitung nach Paracelsus kein Weingeist, sondern ein Essig hinzugegeben wurde. Das würde den veränderten Geruch erklären. Am einfachsten wäre es, Eure Mutter direkt darauf anzusprechen.«
»Natürlich.« Carlotta nickte nachdenklich. »Das aber reicht nicht, sonst hätten wir das längst schon in Königsberg so handhaben können. Wir waren uns einig, zwei unabhängige Zeugen hinzuzuziehen: einen Apotheker und Doktor Lange, den Leibarzt von Fürst Radziwill. Als Erste kann Tante Adelaide die Rezeptur der Essenz bestätigen. Ihr Ruf als Apothekerin des Heilig-Geist-Spitals ist unangefochten. Was sie für angemessen hält, wird niemand in Frage stellen, auch Doktor Lange nicht.«
»Der einzige Haken wird sein, dass Witwe Gerke das Urteil Eurer Tante anzweifeln wird«, gab Pantzer zu bedenken.
»Dann darf sie eben nicht herausfinden, dass ihr verwandt seid«, warf Christoph vergnügt ein.
»Es gäbe noch eine weitere Möglichkeit«, meldete sich Magdalena zu Wort. Alle drei fuhren herum. Im Eifer hatten sie nicht gemerkt, wie sie auf den Flur getreten war und zumindest den Schluss ihres Gesprächs mit angehört hatte.
»Mutter!« Carlotta war empört. »Was ist mit Mathias? Du kannst ihn doch nicht allein lassen! Was, wenn er aufwacht, und niemand ist bei ihm?«
»Keine Sorge, mein Kind.« Sie legte ihr die Hand auf den Arm. »Er ist nicht der erste Patient, den ich in diesem Zustand vor mir habe. Noch schläft er tief und fest. Wenn ihr hier im Flur aber noch länger so laut redet, besteht die Gefahr, dass er aufwacht.«
Sie lächelte, was ihre Worte weniger tadelnd wirken ließ, und begrüßte Pantzer und Christoph.
»Ich freue mich, dass Ihr hier seid. Die Vorsehung meint es gut mit uns. Dabei haben die Zeichen letzte Woche erst einmal sehr schlecht gestanden.« Sie schenkte Christoph einen bedeutungsschwangeren Blick. Verlegen sah er zu Boden. »So, wie es aussieht, ist uns das Schicksal inzwischen wieder gnädig. Um es nicht gleich von neuem zu verstimmen, müsst Ihr allerdings das Eure dazu tun. Wohlgemerkt Ihr, mein guter Kepler, seid jetzt gefordert. Ihr könnt dafür sorgen, die Ungefährlichkeit meiner Bernsteinessenz zu beweisen.«
»Ich?« Erstaunt sah Christoph sie an. »Was sollte ich tun, was die beiden Apotheker und
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