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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wandte sie sich der Magd zu. »Eigentlich ist es wirklich gut, dass Mathias nicht mehr aufgetaucht und mit mir durchgebrannt ist.«
    »Das sagst du doch jetzt nur, um besser vor mir dazustehen.«
    Kaum waren die Worte heraus, schlug Lina erschrocken die Hand vor den Mund und presste abermals ein »Entschuldigung« zwischen den Lippen heraus.
    »Schon gut«, winkte Carlotta ab. »An deiner Stelle würde ich das auch denken.«
    »So?« Lina knüllte das Leintuch zu einem Ball und knetete ihn mit den vom kalten Putzwasser und sauren Zitronensaft stark geröteten Fingern. »Und warum sollte es sonst gut sein?«
    »Ganz einfach«, strahlte Carlotta sie an. »Wenn er damals tatsächlich gekommen und mit mir durchgebrannt wäre, hätte ich genau das getan, was alle Frauen tun: ihn heiraten, kochen, ein halbes Dutzend Kinder kriegen und mich hinterher über meine eigene Dummheit ärgern.«
    »Wenigstens hättest du genug zu essen und ein Dach über dem Kopf, weil dein Mathias bestimmt schlauer ist als mein Fritz. Wahrscheinlich hätte auch deine Mutter euch nicht lang gezürnt und euch einen ordentlichen Hausstand eingerichtet.«
    »Das mag sein«, gab Carlotta zögernd zu. »Aber trotzdem wäre es nicht das Gelbe vom Ei. Sosehr ich es einige Jahre lang bedauert habe, so begreife ich jetzt, dass es wieder für etwas anderes gut gewesen ist.«
    »Weil du dich längst an das Leben in Königsberg und all die vielen Annehmlichkeiten hier gewöhnt hast. Tochter einer angesehenen Kaufmannsfrau zu sein, hat eben seine Vorteile.« Linas rundem Gesicht war der Neid deutlich anzusehen.
    Carlotta seufzte und versuchte ein letztes Mal, sie zu überzeugen: »So angenehm es ist, ändert es nichts an der Tatsache, als Frau doch nicht all das tun zu dürfen, was man eigentlich tun will. Zumindest, wenn man etwas für Frauen sehr Außergewöhnliches im Sinn hat.«
    »So?« Abermals zog Lina die Augenbrauen hoch und sah sie erstaunt an. Auf einmal aber schien sie zu verstehen und verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. »Gib zu: Es gibt einen anderen Burschen!«
    Versonnen lächelte Carlotta. »Bursche ist vielleicht nicht mehr so ganz richtig«, stellte sie klar. »Immerhin hat er einen akademischen Abschluss.«
    »Einen was?«
    »Er hat studiert. Er ist Doktor der Medizin, wenn du es genau wissen willst.«
    »Das heißt, er kann dir ein ordentliches Leben bieten«, erwiderte Lina und wirkte fast ein wenig enttäuscht. »Und was ist jetzt das Außergewöhnliche daran?«
    »Er wird mir helfen, dass ich in gewisser Weise auch Medizin studieren kann!«
    »Was?« Verständnislos riss Lina die Augen auf. »Wozu soll das gut sein? Gewiss bringt er jetzt schon genug Geld nach Hause. Und du bist als Wundärztin auch gefragt. Dabei hast du es nicht einmal nötig, dein Leben damit zuzubringen. Glaub mir, es gibt noch Schöneres, als faule Zähne zu ziehen oder stinkende Eiterbeulen aufzuschneiden.«
    »Das reicht mir nicht, Lina. Als anerkannte Medizinerin könnte ich noch weitaus mehr tun, als die Menschen zur Ader zu lassen, gebrochene Knochen einzurenken oder Wunden zu nähen.« Begeistert hielt sie inne. Ihre tiefblauen Augen leuchteten. Energisch schüttelte sie die rotblonden Locken in den Nacken. »Ich würde endlich die Zusammenhänge begreifen, die den menschlichen Körper inwendig zusammenhalten, und müsste nie mehr mit ansehen, wie einer elend vor meinen Augen stirbt!«
    Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Die Erinnerung an den sterbenden Vater schmerzte noch immer.
    »Deshalb willst du dir diesen studierten Doktor angeln?« Verständnislos runzelte Lina die Stirn. Die tiefen Falten ließen ihr Gesicht alt aussehen.
    Geflissentlich überging Carlotta das. Der sonntägliche Spaziergang mit Christoph stand ihr vor Augen, das unbeschwerte Scherzen mit ihm letztens im Gemeindegarten, die versteckten Zeichen, wenn sie sich bei Apotheker Heydrich begegneten.
    »Christoph ist mir ein guter Kamerad. Lustig ist er zudem, sehr klug und ein stattlicher Bursche noch dazu. Auch sein Vater ist sehr angesehen in der Stadt.«
    »Das klingt nach einer guten Partie«, warf Lina beruhigt ein. »Du solltest dich beeilen. Nicht dass eine andere dir den Fang vor der Nase wegschnappt.«
    »Ja, du hast recht. Ich sollte mich beeilen. Gerade scheint die Gelegenheit günstig, einen guten Fang an Land zu ziehen.« Verschwörerisch zwinkerte sie Lina zu.
    7
    S elbst am weit fortgeschrittenen Nachmittag ähnelte das Treiben an der Lastadie noch einem quirligen

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