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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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die Luft und fegte fast die Äpfel aus einer Kiste vor einer der Buden herunter. Gerade noch rechtzeitig fing er sie auf und legte sie zurück.
    Seine Ungeschicklichkeit brachte Lina zum Lachen.
    »Wusste ich es doch«, merkte Steutner leicht beleidigt an, dennoch lachten seine goldbraunen Augen ebenfalls, und Lina begriff, dass ihm der Schalk im Nacken saß. »Bin ich freundlich, bringe ich Euch zum Weinen, erweise ich mich als tolpatschig, dann schenkt Ihr mir Euer bezauberndes Lachen. Was, meine verehrte Lina, muss ich tun, um Euer Herz zu gewinnen?«
    »Fürs Erste bin ich zufrieden, wenn Ihr mir den Korb tragen helft«, gab sie zurück und zwinkerte ihm zu.
    »Und dann?«
    »Seid nicht so ungeduldig, mein Lieber. So schwer, wie der Korb ist, wird es Euer Schaden nicht sein, ihn mir nach Hause zu tragen.« Keck schürzte sie die Lippen, schlug die Augen auf und spielte mit den Fingern in ihrem Zopf.
    »Das will ich hoffen.« Er zwinkerte und hob die Last wieder auf. Übermütig berührte er sie am Arm, um sie zum Weitergehen aufzufordern. Enger als nötig liefen sie nebeneinanderher, suchten immer wieder Gelegenheit, im dichten Gedränge mit den Leibern aneinanderzustoßen und sich dabei entschuldigend anzulächeln.
    So erreichten sie das Singeknecht’sche Anwesen, wo sich eine Menschentraube an der Hausecke zusammendrängte. Drohend liefen bereits zwei Stadtknechte mit hocherhobenen Piken herbei. Lina verdrehte die Augen. »Schon wieder!«, entfuhr es ihr. »Nimmt das denn gar kein Ende?«
    »Was?«, fragte Steutner und hielt zu ihrem Entsetzen neugierig auf die Menge zu. »Ich glaube, der Bursche da vorn ruft eine Sonderausgabe des Europäischen Mercurius aus. Lasst uns sehen, was es Neues gibt. Ich fürchte, uns stehen aufregende Zeiten ins Haus. Lang hat sich der Kurfürst wohl nicht einreden lassen, bei uns grassiere die Pest.«
    »He!«, rief Lina und versuchte vergebens, ihn zurückzuhalten. Wütend legte sie die breite Stirn in Falten. Es war doch stets das Gleiche: Die Burschen ließen sich viel zu rasch ablenken! Schon fürchtete sie, mit dem schweren Korb allein dazustehen und die Last über die letzten Schritte zum Haus selbst schleppen zu müssen. Doch Steutner besann sich, kam zurück und nahm ihr den Korb ab.
    »Keine Sorge, meine Liebe, natürlich lasse ich Euch nicht mitten auf der Straße stehen. Kommt einfach mit. Ich will hören, was da los ist. Im Kontor müssen wir schließlich wissen, welche Stunde uns geschlagen hat.«
    »Wieso?« Verwundert sah sie ihn an. »Was interessiert uns der Kurfürst und ob er hierherkommt oder nicht? Damit haben wir doch nichts zu tun.«
    »Da irrt Ihr aber gewaltig, meine Liebe. Sicher habt Ihr gehört, wer die Kneiphofer auf die Idee mit den leeren Särgen gebracht hat?« Sie nickte, ohne zu begreifen, worauf er hinauswollte. Sie genoss seine wohlwollende Musterung und schmiegte sich näher an ihn. Wie gern gäbe sie ihm einen innigen Kuss. Nein! Sie erstarrte, riss die Augen auf. Er schmunzelte noch immer. Das ärgerte sie.
    »Die Idee war gut«, fuhr er fort, bewusst offenlassend, worauf er das bezog. »Es scheint, sie hat nicht lange vorgehalten. Wartet, ich besorge mir eine Zeitung, dann wissen wir mehr.«
    Ehe sie sich versah, stellte er erneut den Korb zu ihren Füßen ab und mischte sich unter die Leute. Sie vernahm entrüstetes Schimpfen. Offenbar ging er nicht sehr rücksichtsvoll vor. Zumindest hatte er Erfolg und kehrte mit dem zusammengerollten Bogen in der Hand zurück.
    »Es stimmt«, erklärte er und bückte sich wieder nach dem Korb. »Der Kurfürst ist in Pillau gelandet. Sobald seine Truppen über die Nehrung aufgeschlossen haben, wird er auf Königsberg zuhalten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er hier auftaucht. Ein zweites Mal wird uns Fräulein Carlotta nicht retten können.«
    »Habt Ihr eine Ahnung«, platzte sie heraus. »Ich kenne sie lange genug. Der fällt immer etwas ein.«
    »Davon habt Ihr Euch auch schon eine Scheibe abgeschnitten, was?«
    Sie spürte, wie ihr rundes Gesicht zu glühen begann. Längst hatte Steutner ihre Verlegenheit bemerkt. Statt sich daran zu weiden, legte er ihr den Arm um die Schultern, zog sie in eine Mauernische und küsste sie mitten auf den Mund.
    Er schmeckte gut. Vom Scheitel bis zur Sohle erfasste sie ein wohliges Kribbeln. Darüber entfielen ihr sämtliche Listen und Schliche, derer sie sich sonst bedient hatte, um jemanden für sich zu gewinnen. Steutner, so schien es, war am einfachsten zu

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