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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anderen Gerüchen. Großväterchen, neben Wollters einträchtig auf der Ofenbank sitzend, beobachtete interessiert die Soldatenflut. Wollters riß seinen Uniformrock von der Leine und zog ihn schnell an.
    »Einsatzkommando ›Hamburg‹ zur Stelle!« meldete Paschke und schlug die Hacken zusammen. »Keine besonderen Vorkommnisse.«
    Dr. Runnefeldt nickte. Paschke rührte sich. Der Duft der Hühnersuppe, die ein Brei geworden war, zog ihm in die Nase.
    »Wie ist die Straße?« fragte Dr. Runnefeldt.
    »Noch jeht's, Herr Sonderführer. Aber wenn det so weiter pißt … Bis Königsberg sind's noch gut 600 Kilometer.«
    »Im Reich werden die Straßen besser, Paschke. Ihr habt Hunger, was?«
    »Bis unta de Arme, Herr Sonderführer.«

»Dann Kochgeschirr raus und Essen fassen. Es gibt Brei mit Huhneinlage.«
    »Wat flutscht, is imma jut, sagte meen zahnloser Großvater.« Paschke drehte sich um. Hinter ihm knubbelten sich die 35 Fahrer. »Bereit machen zum Essenfassen!«
    Zwanzig Minuten später hatte jeder Soldat eine volle Kelle Hühnerbrei in seinem Kochgeschirr. Sie standen an den Wänden oder saßen auf den Dielen, und eine Weile hörte man nur das Klappern der auseinandernehmbaren Eßbestecke.
    Dr. Runnefeldt, Wollters und Wachter saßen am Tisch und aßen von irdenen Tellern. Stumm sahen ihnen Praskowja, die Kinder und Großväterchen zu. Er war heute ein glücklicher Mensch – die schönsten Hosenträger der Welt hatte er getragen.
    Paschke aß nur ein wenig von seinem Hühnerbrei, sagte dann zu dem schlürfenden Doll, der aufmerksam die Zwiebelstücke herumrührte, beste Munition für seine Rache: »Ick jeh mal abprotzen. Irjendwo find ick schon ne trockne Ecke …« und verließ das Haus.
    Geduckt rannte er zu seinem Wagen, sprang auf die Stoßstange und schnellte sich von ihr ab über die Ladeklappe ins Innere. Die paar Meter waren wie ein Lauf durch einen Wasserfall gewesen.
    »Ick bin et, Mädchen«, sagte er in das Halbdunkel hinein. »Keene Angst. Allet läuft wie jeschmiert. Haste noch deene Knochen? Ick hab dir wat zum Essen jebracht. Hühnerbrei. Sieht aus wie vorverdaut … aba schmeckt besser als ick gedacht habe.«
    Er zwängte sich durch die Kisten und blieb vor Jana stehen. Sie saß mit dem Rücken an der Kabinenwand und streckte die rechte Hand aus. Paschke reichte ihr sein Kochgeschirr hin. »Du bist ein guter Mensch«, sagte sie.
    »Ick hab mit'n Löffel schon jejessen.« Janas Worte machten ihn sehr verlegen. »Kannst aba unbesorcht nehmen. Ick habe keene Syphilis.«
    Er lehnte sich an die Kiste von der Jungfrau Maria und den Engelsköpfen und sah ihr eine Weile zu, wie sie den Hühnerbrei aß. Sie nahm nicht viel, nur ein paar Löffelchen, und hielt ihm das Kochgeschirr wieder hin.
    »Danke, Julius …«
    »Kannste allet essen, Jana.«
    »Und du?«
    »Ick orjanisiere mir schon wat. Det harn wa jelernt. Magste nich?«
    »Ich bin satt, Julius.«
    »Da frißt meen Meerschweinchen ja mehr. Ick hab nämlich en Meerschweinchen zu Hause, mußte wissen. Emma heeßtse. Nach meener Schwiejermutta. Zuerst war Hanna – det is meene Frau – tief beleidicht. Dann koofte se sich eenen Kanarienvogel, den nannte se Klara. Wie meene Mutta. Da war'n wer quitt.«
    Er nahm das Kochgeschirr zurück und löffelte den Rest des Breies aus. Jetzt hatte er auch seine Feldflasche mitgebracht, schraubte sie auf und gab sie Jana.
    »Tee«, sagte er dabei. »Mit so 'nem Zitronenpulver drin. Aba es schmeckt.«
    Durstig goß sie sich den Mund voll, bis sich ihre Backen blähten, und dann erst schluckte sie es hinunter. Dreimal. Die Feldflasche war halb leer, als Jana sie an Paschke zurückgab.
    »Bist 'n dolles Mädchen«, sagte er. »Und so wat wird nu im Kriech verheizt.«
    »Er ist bald zu Ende, Julius.«
    »Det glaubste? Ick weeß nich. Ick laß mir übaraschen.«
    Mit langen Sprüngen kehrte er zum Bauernhaus zurück, triefend vom Regen, und stellte sich wieder neben Doll an die Zimmerwand.
    »Dat wor äwwer ne nasse Eck zum Drießen«, sagte Doll.
    Paschke beugte den Kopf vor und ließ das Wasser aus seinen Haaren laufen.
    »Sprich deutsch, sag ick dir imma.«
    »Eine nasse Ecke zum Scheißen!« Doll bemühte sich, hochdeutsch zu sprechen. »Himmlische Spülung, wat?«
    »Du kannst mir jreuzweise …«
    Dr. Runnefeldt war ein paarmal ans Fenster getreten und hatte hinaus in den Regen geblickt. Es sah nicht so aus, als ob sich der Himmel bald schließen würde.
    »Es hilft alles nichts«, sagte er zu Dr. Wollters.

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