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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Donohue
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dich erinnerst«, unterbrach ich sie. »Mehr will ich gar nicht.«
    Sie zögerte und stupste wieder mit der Fußspitze an das Brett. »Ja, ich erinnere mich«, sagte sie schließlich so beiläufig, als plauderten wir über das Wetter.
    Ich seufzte und lehnte mich an den Tisch, den die Arbeiter in die Ecke gestellt hatten. Julias winziges Zugeständnis löste eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Wut in mir aus, die meine Augen brennen ließ. Ich war nicht verrückt. Ich wusste, dass sie sich an alles erinnerte, was in jenem Jahr geschehen war. An die ganze Wahrheit.
    Die Gerüchte über mich waren in Umlauf gekommen, nachdem in unserem Abschlussjahr eine Reihe von Diebstählen die Schule erschüttert hatte. Zuerst wurde Katherine de Veronas Birkin Bag aus den Waschräumen geklaut, während sie auf der Toilette war. Dann verschwand Lauren Pearlmans Gucci-Portemonnaie aus ihrem Rucksack. Andere Schülerinnen verloren teure Mäntel, goldene Schlüsselanhänger, Halsketten mit Charms von Tiffany.
    Einige Wochen nach Beginn der Diebstahlserie sagte mir meine Freundin Jody, dass sie mich in der Mittagspause auf dem Schulhof treffen wolle. Dass es nieselte, fiel mir erst auf, als ich nach draußen ging. Außer Jody, die an einem kleinen Eisentisch am Rand des angrenzenden Steingartens saß, war der sonst als Teil der Cafeteria genutzte Hof menschenleer. Jody sah auf und zwinkerte nervös, als ich näher kam. Dann begann sie mit einer Selbstvergessenheit, mit der sie sich normalerweise über die unerschöpflichen Vorräte an sauren Fruchtgummis in ihrem Rucksack hermachte, an ihren Fingernägeln zu kauen.
    »Was ist los?«, fragte ich und ließ mich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen. Selbst für jemanden wie Jody, die die Sozialkompetenz einer Beutelratte hatte, war dieses Treffen im Regen reichlich schräg.
    »Es ist Clayton Reardon«, flüsterte sie, während sie weiter an ihrem Daumennagel herumbiss und meinem Blick auswich.
    »Was? Na los, spuck’s schon aus, Jody. Sei nicht so komisch.«
    Als Jody den Kopf hob, hatte sich eine tiefe, von Akne gezeichnete Furche zwischen ihren Augenbrauen gebildet. Sie wirkte sehr zerknirscht. »Clayton Reardon«, wiederholte sie einen Tick lauter. Sie sah sich hektisch um und beugte sich dann über den Tisch zu mir. »Beim Sportunterricht heute Morgen hat er allen erzählt, dass er gesehen hat, wie du in der Aula Schultaschen durchwühlt hast. Es wird gemunkelt, dass du unsere Sachen klaust und sie verpfändest, um deiner Familie in Ecuador Geld zu schicken.«
    Ich fing an zu grinsen, aber nach einigen Sekunden begriff ich, dass das kein Scherz sein sollte. Ich starrte Jody verdattert an. »Was redest du da? Ich klaue eure Sachen? Für meine Familie in Ecuador? Außer meiner Mutter kenne ich doch überhaupt niemanden aus meiner Familie!« Und weil sie so darauf beharrt, dass wir uns assimilieren , fügte ich in Gedanken hinzu, spreche ich kaum ein Wort Spanisch! Fast hätte man über den Vorwurf lachen können, wenn er nicht so verdammt engstirnig gewesen wäre.
    »Ich weiß«, sagte Jody schnell. Ihr blasses Gesicht war aufrichtig zerknirscht. »Ich glaube das ja auch nicht. Aber das wird eben rumerzählt. Ich dachte, du solltest das wissen.«
    Ich lehnte mich zurück und dachte fieberhaft nach. Der Regen wurde stärker, und wir setzten beide unsere Kapuzen auf. »Warum behauptet Clayton so was? Was habe ich ihm denn getan?«
    »Nichts.« Jody begann wieder an ihrem Daumennagel zu nagen und verschwand fast völlig unter ihrer Kapuze. »Aber du weißt ja, wie die sind.«
    Mit »die« meinte sie den Rest unserer Klasse. In diesem Moment wurde mir klar, wie aussichtslos die Lage war. Clayton Reardon gab an der Schule den Ton an; sein Wort war sozusagen Gesetz. In den Augen meiner Mitschüler war ich jetzt eine Diebin. Ich betrachtete Jody, deren Augen hin- und herhuschten, während sie auf ihren Nägeln herumkaute, und seufzte. »Danke, dass du mir Bescheid gegeben hast«, sagte ich. »Du solltest gehen, sonst kommst du noch zu spät zum Unterricht.«
    Wir wussten beide, dass es erst in fünfzehn Minuten zur nächsten Stunde läuten würde, doch Jody stand so hastig auf, dass sie fast ihren Stuhl umwarf. Sie schulterte ihren riesigen Rucksack. »Bis später also«, sagte sie. »Kopf hoch.«
    Nachdem sie weg war, blieb ich noch bis zum Ende der Pause am Tisch sitzen. Mein Gesicht brannte vor Wut und Frust, und ich hatte das Gefühl, dass selbst der Regen mich nicht vor den

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