Das Bildnis der Novizin
genannt wurde. Kurz kam ihr der Gedanke, ob das Mädchen vielleicht noch unberührt sei, so wie die Muttergottes unbefleckt empfangen hatte.
»Blasphemie!«, sagte sie sich laut und drängte den Gedanken entschlossen beiseite. Aber ganz konnte sie diese unmögliche Vorstellung doch nicht abschütteln. Die junge Frau hatte ihr das Leben gerettet. Es war Schwester Lucrezias Gesicht, zu dem Teresa aufblickte, wenn sie ihren Rosenkranz betete oder ihre Ave-Marias aufsagte. Es musste doch möglich sein, dem armen Mädchen irgendwie zu helfen.
»Ich werde an Schwester Pureza schreiben«, beschloss sie. Als Gattin des reichsten Kaufmanns der Stadt galt ihr Wort etwas in den Straßen von Prato. Vielleicht konnte sie die allgemeine Meinung ja ein wenig zugunsten Lucrezias beeinflussen. Außerdem hatte ihr Mann das Kloster im letzten Jahr besonders großzügig bedacht, da konnte sie wohl auch dort einmal ein wenig Einfluss nehmen. »Ich werde sie daran erinnern, wie sehr mir das Mädchen geholfen hat, und sie bitten, Vergebung und Nachsicht zu üben.«
Damit wandte sie sich an Nicoletta, die soeben einen Stapel frisch gewaschene Bettwäsche in einer Truhe verstaute. »Bring mir Pergament und ein frisches Tintenfass!«, befahl sie.
Schwester Pureza las den Brief im fahlen Licht, das durch das hohe, schmale Fenster ihrer Zelle hereinsickerte. Er war heute früh in einem feinen Umschlag eingetroffen, dazu ein kleiner Beutel voller Münzen. Das Geld hatte sich die Mutter Oberin sogleich geschnappt, doch der Brief war ungeöffnet an die alte Nonne ausgehändigt worden.
»Wenn es stimmt, dann bitte ich Euch um Nachsicht«, las Schwester Pureza. »Auch sie ist ein Kind Gottes, das in Not ist. Bitte vergesst nicht, Schwester, sie ist nur eine hilflose Frau in einer Männerwelt.«
Die alte Nonne hatte die Gerüchte nicht glauben wollen, die das Kloster erreichten, doch nun musste sie sie wohl oder übel zur Kenntnis nehmen. Sie ließ das Pergament auf ihren Schreibtisch fallen und ging händeringend in ihrer Zelle auf und ab.
Sie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, und das Mädchen war dennoch in Schande gefallen. Schwester Pureza war verzweifelt, wenn sie daran dachte, verzweifelt und zornig. Schwester Lucrezia war ihr fast wie eine Tochter gewesen, an die sie all ihr Wissen über Kräuter und Geburtshilfe weitergeben wollte. Ja, sie lebten in einer Männerwelt, aber gerade deshalb hatte sie Lucrezia ja auch angefleht, ins Kloster zurückzukehren. Aber das Mädchen hatte sich geweigert.
Sie sah sie vor sich, wie sie dagestanden hatte, klein und verloren, in Fra Filippos Küche. Erneut wallte die tiefe Enttäuschung, die sie damals empfunden hatte, in ihr auf, der tiefe Verlust. Lucrezia war aus freien Stücken bei dem Maler geblieben und würde jetzt die Konsequenzen tragen müssen. Sie würde selbst ein Kind bekommen, anstatt anderen Frauen bei der Geburt zu helfen, würde selbst Evas Leiden erdulden müssen, anstatt sie anderen Frauen zu erleichtern. Ihr Bastard würde in Blut und Schande zur Welt kommen. Und der Allmächtige, der nicht gnädig auf Kinder der Fleischeslust herabblickte, würde Lucrezia vielleicht denselben Verlust erleiden lassen, den sie selbst, Pasqualina di Fiesole, vor so langer Zeit erlitten hatte.
Generalabt Ludovico Pietro di Saviano stand in seinem kostbar ausgestatteten Arbeitszimmer vor dem knisternden Kaminfeuer und sah zu, wie der Brief, den er soeben hineingeworfen hatte, vom Feuer verzehrt wurde.
Wieder einmal war Inghirami der Überbringer schlechter Nachrichten gewesen. »Ich bedaure, Euch stören zu müssen, ehrenwerter Generalabt, noch dazu mit solch schmutzigen Neuigkeiten, doch ist es leider meine Pflicht …« Und so weiter. In der Tat, wenn es um peinliche Nachrichten ging, die ihn, Saviano, in Verlegenheit stürzten, schien der Propst seinen Pflichten besonders gern nachzukommen. Er konnte sich vorstellen, wie ganz Prato sich über die Geschichte lustig machte: der verrückte Mönch, Arm in Arm mit der schwangeren Novizin, in blanker Missachtung ihrer Orden, der Karmeliter und der Augustiner – und des Herrn selbst. Es war zwar nur ein kleiner Trost, aber immerhin wusste die Welt nun, was für eine tückische Verführerin sich hinter dem engelsgleichen Gesicht verbarg.
»Zur Hölle mit ihr und zur Hölle mit dem Mönch«, zischte der Generalabt. »Und zur Hölle mit ihrem Bastard!«
Er erstarrte. Ein Bastard . Gewiss, doch wessen Bastard? Seine Kehle war auf einmal wie
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