Das Bildnis der Novizin
der Neugierigen auf sie.
»Es tut mir leid«, sagte Paolo, als sie nähergekommen war, »aber meine Mutter erlaubt es nicht.«
Wie Fra Filippo es vorausgesehen hatte, erstarb das Interesse der Klatschmäuler mit Anbruch des Karnevals, der der Fastenzeit vorausging. Der Faschingsdienstag wurde ausgiebig gefeiert. Es gab einen prächtigen Umzug, angeführt von Propst Inghirami und den kirchlichen und weltlichen Würdenträgern der Stadt. Die Kinder tanzten in den Straßen, Männer und Frauen trugen Masken, selbst gemachte oder von venezianischen Händlern gekaufte, die diese aus der Stadt der Masken nach Prato gebracht hatten. Man schmauste, und überall in der Stadt duftete es nach geröstetem Spanferkel.
In Fra Filippos Haus gab es jedoch keinen Festschmaus, denn seine Silberstücke waren auf nicht mehr als zehn zusammengeschmolzen. Als Lucrezia am Donnerstag erwachte, bat sie den Mönch – nachdem sie ihm einen zärtlichen Kuss gegeben hatte – sich ihr bis zum Ende der Fastenzeit nicht mehr zu nähern.
»Um des Kindes willen«, bat sie sanft. »Ich liebe dich, aber ich möchte in der Fastenzeit Buße tun, jetzt mehr denn je.«
Er konnte den Ausdruck ihrer Augen nicht erkennen, wusste aber auch so, dass sie sich insgeheim um das Seelenheil ihres Kindes sorgte. Er stimmte ihr daher zu, dass Enthaltsamkeit zu dieser Zeit nicht gänzlich unangebracht war.
»Ich will mit Schwester Pureza reden«, sagte Lucrezia zu Fra Filippo, als sie an diesem Abend ihr kärgliches Fastenmahl verzehrten. Nona war längst verstrichen und der Maler hatte blaue Farbsträhnen im Haar. Sein Blick war trübe und abwesend, und Lucrezia tat ihr Bestes, sich davon nicht entmutigen zu lassen.
»Niemand weiß so viel über Geburtshilfe. Ich will einfach vorbereitet sein, Filippo.«
Ihrer eigenen Schätzung nach hatte sie das Kind irgendwann zwischen dem neunten September und Anfang Dezember empfangen. Wenn es im Juni zur Welt kam, dann wusste sie bestimmt, dass Filippo nicht der Vater sein konnte – und er wusste es auch. Sie war sicher, dass auch er unter ihrem schrecklichen Geheimnis litt, obwohl er nichts sagte. Filippo beteuerte ihr zwar immer wieder seine Liebe und sie glaubte ihm, aber manchmal lag sie doch nachts wach und machte sich Sorgen, er könne die Vaterschaft abstreiten, wenn sie das Kind nicht lange genug austrug.
»Schwester Pureza ist nicht mehr unsere Freundin«, erinnerte er sie schweren Herzens.
»Aber sie war es einmal.« Lucrezia ließ den Kopf sinken. Sie hatte nur ein paar Bissen Brot gegessen, doch ihr Magen war voll, weil das Kind daraufdrückte. »Vielleicht werden wir ja wieder Freundinnen werden, wenn alles in Ordnung kommt.«
Fra Filippo warf einen Blick auf ihren dicken Bauch. Er stellte sich den Bauch der Madonna vor, der so kurz nach der Geburt noch merklich gewölbt sein würde, und beäugte Lucrezias pralle Brüste. Ja, so könnte er die Madonna auf dem Altarbild malen. Er rieb sich die Augen, um das Bild in seiner Vorstellung festzuhalten, und beendete schweigend sein Mahl.
Lucrezia schlief tief und fest, als der Mond in dieser Nacht kalt am Himmel stand, aber Fra Filippo konnte nicht schlafen. Er hatte erneut an Ser Cantansanti geschrieben und wartete schon seit zwei Wochen auf Antwort. Lucrezias dicker Leib zeichnete sich unter der Decke ab, und der Blick des Mönchs ruhte darauf, während er ratlos an seiner Feder kaute. Dann gab er sich einen Ruck und begann ein Schreiben, in dem er sich direkt an die heilige Kurie in Rom wandte.
»Euer Heiligkeit, Papst Kalixt III., dessen Antlitz Gott allzeit am nächsten ist«, begann er.
Über zwei Seiten ergossen sich Fra Filippos Ehrenbezeugungen, seine Achtung vor und Hingabe an die Kirche und an Gott, die er sein Leben lang in seinen Werken zum Ausdruck gebracht hatte. Er führte die Namen seiner Förderer auf, angefangen mit seinen Kindheitstagen im Kloster Santa Maria del Carmine, erwähnte die Madonna mit Kind und Engeln , die er für die Karmeliter des Klosters Selve gemalt hatte, gefolgt von dem Tabernakel und den Fresken in der Basilika del Santo in Padua, seine Krönung der Jungfrau in der Kirche von Sant’ Ambrogio.
»Euer Heiligkeit«, schrieb Fra Filippo. »Mein Leben lang war ich der Kirche und Gott in Dankbarkeit und Treue ergeben, nie habe ich eigennützige Forderungen gestellt. Alles was ich tat, geschah aus Liebe zu Gott und zum Heiligen Stuhl. Nun werfe ich mich Euch zu Füßen und flehe Euch an, mir in Eurer Gnade und Heiligkeit
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