Das bisschen Haushalt
überlegen, eine nette Story einfallen lassen. Ich gehe auf den Speicher und hole unseren großen Koffer. Damit betrete ich ihr Zimmer und strahle wie ein Tschernobyl-Champignon: „Schatz, ich habe eine super Idee. Alle deine Kuscheltiere dürfen in den Urlaub fahren. Guck, ich hab’ schon einen Koffer mitgebracht, da setzen wir sie jetzt alle rein.“ Rebecca ist freudig überrascht: „Klasse, wir fahren weg. Wo geht’s denn hin, Papa?“ War vielleicht doch ein Fehler, das mit der Urlaubsgeschichte. „Nein, Mäuschen, nicht WIR, sondern nur deine Tiere dürfen Ferien machen.“ Wie lange sie fortblieben, wohin genau die Reise ginge und wer die Begleitpersonen seien - für all diese Fragen muss ich mir in Sekundenbruchteilen plausible Antworten ausdenken.
Erst als ich Rebecca glaubhaft erkläre, dass Erik, der Eisbär, Swantje, das Krokodil und die 21 anderen befellten, gefiederten und geschuppten Schmusetiere für eine Woche zusammen mit Oma an die Ostsee fahren, ist sie erleichtert. Ich kann beginnen. Nummer eins ist Hund Wuschel. Gerade als ich ihn in den Koffer verfrachten möchte, stößt Rebecca einen Schrei hervor. Doch nicht so - da müsse zuerst eine weiche Unterlage rein. Und zu essen bräuchten ihre Freunde schließlich auch was. Also hole ich aus dem Wohnzimmer unsere Decke und schnappe mir aus der Speisekammer eine Packung Kekse.
Da jedes Tier zum Abschied noch einen Kuss bekommt und die Reisegesellschaft innerhalb des Koffers ein paar Mal umarrangiert werden muss, dauert der ganze Vorgang fast eine Dreiviertelstunde. Hoffentlich erwischt mich Rebecca nicht, wenn ich heute Abend die Gefriertruhe öffne und Erik & Co. in ihr Permafrost-Urlaubsdomizil überführe.
Samstag, 12. Juli
Sonntag, 27. Juli
Mittwoch, 13. August
Mittwoch, 3. September
Samstag, 12. Juli
Carola überrascht uns am Frühstückstisch mit einer Ankündigung, mit der wir an diesem sonnigen Samstagmorgen nicht gerechnet hatten: „Wir gehen nachher in die Stadt. Die Kinder sind aus ihren Sommersachen total rausgewachsen und für den Herbst brauchen sie auch noch was.“ Bei Paul, Rebecca und bei mir weicht die fröhliche Wochenendstimmung augenblicklich einer tiefen Depression. Im Kanon formulieren wir unsere als rhetorische Frage verpackte Antwort: „Muss das sein?“ „Ja, es muss“, erstickt Carola jegliche Diskussion im Keim und kündigt die Abfahrt für Punkt 10:30 Uhr an.
Die Kinder versuchen, das Unabwendbare hinauszuzögern: Sie erledigen die noch anstehenden Aufgaben mit angezogener Handbremse: das restliche Frühstücksbrötchen verzehren, Schlafanzug ausziehen, Zähne putzen, anziehen - all das dauert heute doppelt so lange. Da auch ich die Hoffnung hege, Carola nochmals umzustimmen, wenn ich nur langsam genug mache, gehe ich erst mal ausführlichst auf Toilette. Nirgendwo sonst liest sich die Wochenendausgabe der Süddeutschen bequemer und ungestörter als auf dem Klo. „Hast du Verdauungsprobleme?“, erkundigt sich Carola nach einer Viertelstunde. „Ja, ich hab’ so ein komisches Drücken, ich glaube, es dauert noch ein bisschen“, gebe ich durch die Türe zur Antwort und vertiefe mich genüsslich in den Sportteil.
Nach einer weiteren Viertelstunde erhebe ich mich vom Thron, schließlich will ich Carolas Geduld nicht überstrapazieren. Demonstrativ schaue ich auf meine Armbanduhr: „Oh je, jetzt ist es schon fast 11 Uhr, Schatz. Ich meine, da macht’s doch gar keinen Sinn mehr loszufahren. Lass uns hier bleiben.“ „Nein, auf gar keinen Fall.“ Nur jetzt wäre das Zeitfenster für einen Kleiderkauf offen, bereits nächsten Samstag sei es wieder geschlossen, denn dann hätte Rebecca ihren Voltigierkurs, der ja nur heute ausnahmsweise ausfiele. Außerdem hätten wir nichts weiter vor, sodass es nicht so schlimm sei, wenn wir erst später aufbrechen würden.
Ich bin lange genug mit Carola verheiratet, um zu wissen, dass in einer solchen Situation Widerstand oder subtile Formen der Verzögerung zwecklos sind und ins Leere laufen. Also füge ich mich meinem Schicksal und beordere die Kinder zur Garage. Um 11:27 Uhr fahren wir los. Im Parkhaus des Einkaufszentrums finden wir auf der letzten Ebene noch einen Parkplatz.
„Wir schauen zuerst bei H&M vorbei“, beginnt Carola ihre Erläuterung des weiteren Ablaufs. „Danach geht’s zu C&A und dann in Evas Kinderecke!“ Wir tauchen ein in die neonbeleuchtete, klimatisierte Konsumhölle und steuern den schwedischen Textilhändler an, dessen Produkte
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