Das bisschen Haushalt
spielen Räuber und Gendarm; die Rebecca ist der Räuber.“ Kaum hat er ausgesprochen, sausen sie auch schon los. In der ersten Kurve reißt Rebecca zwei Paar Sandalen aus dem Regal. Ich sortiere sie geschwind wieder ein und hetze hinter beiden her. „Hey, das ist eine blöde Idee, bleibt sofort stehen.“ Das hätte ich genauso gut auch den Leinenhosen in Größe 128 auf dem Ständer neben mir erzählen können - die Wirkung meiner Ermahnung wäre die gleiche gewesen.
Wir liefern uns eine wilde Verfolgungsjagd: Paul hinter Rebecca, ich hinter Paul. Dabei kommt es zu Kollateralschäden: Ein Stapel T-Shirts wird von Paul im Vorüberrennen aus dem Fach geworfen, Rebecca rammt ein dreijähriges Mädchen, das neben ihrer Mutter stand und ich trete einer Verkäuferin auf den Fuß. Dafür ernte ich einen äußerst vorwurfsvollen, zurechtweisenden Blick. Habe keine Zeit, ihn zu erwidern, muss die beiden einfangen. Gelingt mir kurz vor den Umkleidekabinen. Bin gereizt. Sehr gereizt. „Was fällt euch denn ein? So ein Krampf! Könnt ihr euch nicht denken, dass man in Geschäften nicht wie ein Bekloppter herumrennt?“ „Hey Dad, mach’ dich mal flauschig!“, meint Paul nur. „Bitte, was soll ich machen?“ „Na, flauschig eben, locker, entspannt.“ Ich bin kurz davor zu explodieren und sämtliche Grundsätze in puncto gewaltfreier Erziehung über Bord zu werfen, als Carola auftaucht und schlagartig die Situation zum Guten wendet. Sie spricht die sehnlichst erwarteten Worte: „Wir können gehen, ich hab’ alles!“
Sonntag, 13. Juli
Paul hat gerade in Religion das Unterrichtsthema „Ablauf des Gottesdienstes“. Der Lehrer hatte ihm und seinen Mitschülern nahegelegt, doch mal wieder an einer Messe teilzunehmen. Dieses Ansinnen wollen wir gern unterstützen und haben uns für heute vorgenommen, in die Kirche zu gehen. Wir waren ja auch schon lange nicht mehr dort und ein Gottesdienstbesuch täte uns allen sicherlich gut. Also stellen wir uns den Wecker und quälen uns um 08:30 Uhr aus dem Bett. Das war schon lange nicht mehr der Fall, dass wir an einem Sonntag freiwillig so früh wach waren. Was heißt wach? Halbkomatös schleppt sich Paul zum Frühstückstisch und stammelt etwas von: „Blöder Lehrer, blöde Kirche, blöde Religion.“ „Mach’ mal halblang, mein Freund. Keiner ist hier blöd. Du wirst schon sehen: So ein Kirchgang hat was sehr Erbauliches.“ Seine Augen sagen: „Das glaubst du ja selbst nicht!“
Rebecca ist nicht viel munterer als ihr Bruder, aber dafür wesentlich besser gelaunt. Sie freut sich auf den „Termin mit Gott“, wie sie sagt und beeilt sich sogar richtig, ihr Sonntagsbrötchen zu essen. Da bei uns am Ort - wie wohl überall sonst
- pünktlichst mit dem Gottesdienst begonnen wird, man also keine Pufferzeit hat, kein noch so kurzes akademisches Viertel einplanen kann, ist es empfehlenswert, spätestens um 09:57 Uhr auf der Kirchbank zu sitzen. Mit anderen Worten: Um 09:45 Uhr müssen wir das Haus verlassen, damit wir nicht unangenehm auffallen. Dementsprechend ist Eile geboten. Carola hatte bereits gestern Abend die feinen Kleider für die Kinder zurechtgelegt, auf dass es heute schneller gehen möge. An alles hat sie gedacht - sogar an die passenden Haarspängchen.
Um 09:41 Uhr steht die ganze Familie im Flur. „Na also, es geht doch, wenn ihr nur wollt“, lobe ich Paul und Rebecca. Jetzt müssen wir nur noch Schuhe anziehen und dann können wir aufbrechen. „Ich ziehe nicht die Sandalen, sondern meine Turnschuhe an“, erklärt Rebecca. Carola hält ihr die schicken, rosafarbenen Sandalen vor die Nase und besteht darauf, dass diese anzulegen wären. „Nö, die gefallen mir nicht“, insistiert Frau Tochter. „Wenn du nicht deine Sandalen anziehst, dann bleibst du eben da“, droht Carola mit Erfolg, schließlich will Rebecca ja zu ihrem „Termin mit Gott“. Die Uhr zeigt 09:44. Paul lümmelt am Schuhschrank und nuschelt: „Wo sind meine Sandalen?“ Ja, wo sind sie? An alles hatte Carola gedacht, nur nicht an Pauls Sandalen. Hektisch durchpflügen wir den Schuhschrank. Nichts. Ich sehe in der Waschküche nach. Nichts. Carola scannt Pauls Zimmer. Nichts. 09:48 Uhr. „Dann zieh’ eben deine Turnschuhe an“, entscheide ich, „sonst schaffen wir es nicht mehr pünktlich, wir sind eh schon zu spät.“ „Ich zieh’ dann aber auch meine Turnschuhe an“, brüllt Rebecca, die schon an der Gartentüre war und nun wieder zurück ins Haus stürmt. Carola hat von all
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