Das bisschen Haushalt
nicht existiere. Rebecca am Pool, Rebecca am Strand, Rebecca auf dem Tretboot. Paul in Antalya, Paul auf der Rutsche, Paul im Restaurant. Carola auf der Liege, Carola vor Sonnenuntergang, Carola an der Bar. Und ich? Die einzigen Aufnahmen, die es von mir gibt, sind solche von peinlichen Darbietungen, sei es mit gekrümmtem Kreuz auf der Bühne oder unlängst als Elefant im Kindergarten. Meine Nachfahren werden denken, dass ich nicht viel mehr im Leben gemacht habe, als mein fehlendes künstlerisches und sportliches Talent der Öffentlichkeit zu präsentieren - „unser Uropa - das war ja schon ein schräger Typ.“ Nein! Beim nächsten Urlaub wird Carola hinter dem Sucher sein und ich VOR dem Objektiv stehen!
Bis Carola abends nach Hause kommt, befülle ich noch drei weitere Waschmaschinentrommeln, verstaue die Koffer auf dem Speicher und putze sämtliche Schuhe, die wir dabeihatten. Als die Frau Gemahlin dann endlich die Türe öffnet, will sie wissen: „Na, Schatz, habt ihr euch einen schönen Tag gemacht?“ Ich ziehe nur die Augenbrauen nach oben und antworte „Wunderschön, richtig erholsam. Man kann fast sagen: Noch ein weiterer Urlaubstag!“
Sonntag, 31. August
Während wir uns unter türkischer Sonne erholen durften, konnte sich Janosch bei Mama verwöhnen lassen. Heute wollen wir ihn abholen. Nach dem Frühstück fahren wir los und sind gegen 11:00 Uhr in meinem Elternhaus. Kaum habe ich aufgeschlossen, ist Janosch schon an der Türe und tanzt um uns herum wie angestochen. Vor lauter Wiedersehensfreude pinkelt er auf dem teuren Perserteppich im Eingang, was Mama glücklicherweise nicht bemerkt, weil sie damit beschäftigt ist, uns nicht minder enthusiastisch zu drücken und herzen. Nachdem jeder von Ja-nosch und Mama ausgiebig begrüßt ist, verlagern wir das Geschehen vom Flur in das Wohnzimmer.
„Na, wie war denn euer Urlaub?“, erkundigt sich Mama. Bevor ich zu einem Rapport ansetzen kann, hat sich Paul das Wort schon selbst erteilt: „Omi, der Papi war einmal so besoffen, dass er in den Pool gefallen ist. Und einmal hat er auf der Bühne einen Limo-Tanz gemacht.“ Ich schaue Paul streng an und stelle klar: „Ach, Quatsch! Ich war doch nicht betrunken, sondern bin nur ausgerutscht. Und außerdem heißt das nicht ,Limo-Tanz‘, sondern ,Limbo-Dance‘!“ Wir berichten von unseren Erlebnissen und lassen uns erzählen, was in der Heimat vorgefallen ist und was Janosch so alles angestellt hat. In den Garten von Rehbergs habe er mit Vorliebe gekackt, sei zweimal während des Spaziergangs ausgebüchst, habe mehrfach den Hasenstall der Nachbarn belagert und das Stromkabel ihrer Stehlampe zernagt. Aber sonst sei er ja ein ganz lieber, süßer, knuffiger, artiger Zeitgenosse. Mitten in ihrer Aufzählung schreit Mama plötzlich auf: „Um Himmels Willen! Ich hab’ den Braten ganz vergessen!“ In einem für ihr Alter bemerkenswerten Tempo zischt sie in die Küche und kümmert sich um das Mittagessen. Eine halbe Stunde später werden wir zu Tisch gerufen. Als Begrüßungsessen gibt es Sauerbraten - eines meiner Lieblingsessen. Dazu: hausgemachte Knödel und Apfelrotkohl. Schmeckt ausgezeichnet nach zwei Wochen Gyros, Lamm und Pide.
Erschöpft vom Mahl lassen wir uns wieder auf die Couch fallen und setzen unsere Unterhaltung fort. Nachdem wir erfahren haben, was ihrer besten Freundin Gertrud und Onkel Gustav in letzter Zeit so alles widerfahren ist, versuche ich das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken: „Mama, wir haben dir auch was mitgebracht.“ Ich überreiche Mama das TeegläserSet, das Carola auf dem Basar in Antalya erstanden hat. „Ach, Kinder, das wäre doch nicht nötig gewesen.“ „Komm, lass die blöden Sprüche. Du hast ja immerhin zwei Wochen den Terrier gehabt.“ „Ja, aber das hab’ ich doch gern gemacht.“
Apropos Mitbringsel: Das war für Mama das Stichwort, uns ihre Errungenschaften der letzten Wochen zu präsentieren: ein Ultraschallreinigungsgerät für Brillen und Schmuck, eine Moorwärmflasche für die Mikrowelle (obwohl sie eine solche gar nicht besitzt), ein Basler-Kostüm für die Silberhochzeit von Neudeckers und sechs neue Tischsets. Mir rutscht raus: „Mensch, Mama, was machst du mit meiner Erbschaft?“ Mama funkelt mich böse an. „War doch nur ein Spaß“, versuche ich, die Situation zu retten. Um Mama wieder etwas versöhnlicher zu stimmen, frage ich, ob es denn im Haushalt irgendetwas zu tun gäbe. Eine rhetorische Frage. Es gibt immer etwas zu tun.
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