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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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heute Nacht sein eigenes Todesurteil gefällt. Er hatte dazu nur genickt – wie immer. Was sollte das Palaver? Doch jetzt, einen Tag später, war er mit seinem Nicken überhaupt nicht mehr einverstanden. Er saß am Tisch und verfluchte sein fehlendes Durchsetzungsvermögen. Es war an der Zeit, etwas zu ändern – jetzt –, heute –, bevor Sarah noch mehr gebrandmarkt wurde.
Ben Newshorn sah zu seiner Frau auf, die in energischer Haltung neben ihm am Kaffeetisch stand und die Fäuste in die Hüfte gestemmt hatte. Wieder hatte er die Tischdecke mit Kaffee bekleckert! Ihm tat die Bandscheibe weh. Das Wetter wechselte, dann tat sie ihm immer weh. Er war heute früher als sonst von der Arbeit heimgekommen, um seine Überstunden abzufeiern. Elisabeth Newshorn wollte ihn gerade wegen des Kaffeeflecks schelten, als er sich erhob und sie bitter ansah. Sie erschrak plötzlich vor seinem Blick.
„Ich gehe rauf zu Sarah“, sagte er knapp und kippte die Tasse Kaffee so unabsichtlich wie absichtlich über die Tischdecke. Dann ging er die Treppe hinauf. Elisabeth Newshorn schluckte hechelnd.
Sarah schaute nur kurz hin, als sich die Türklinke nach einem Klopfen bewegte. Dann sah sie wieder zur Decke.
Die Tür öffnete sich zu langsam für ihre Mutter, also sah sie wieder hin. Ihr Vater stand im Türrahmen und versuchte, sie durch seine Blicke zu erreichen. Er sagte nichts – wie immer. Warum sollte er auch jetzt sprechen?
Er trat leise in das abgedunkelte Zimmer hinein und fand es schade, die Sonne hinter den Rollos zu verstecken.
Vorsichtig schloss er die Tür. Das musste er, um das Lauschen seiner Frau einigermaßen zu unterbinden. Dann ging er zum Fenster, öffnete es und zog die Rollos hoch. Sarah blinzelte in das Sonnenlicht hinein. Sie mochte das nicht, genau wie sie ihn jetzt nicht um sich haben wollte. Sie hasste ihn, obwohl sie ihn tief in ihrem Herzen liebte. Sie war ihm zu ähnlich, deshalb hasste sie ihn.
Er betrat zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ihr Zimmer. Sie musste ein Teenager gewesen sein, als er das letzte Mal hier drin gewesen war. Er hatte sie damals beschimpft, weil sie in der Garage eine Dose mit hellblauem Lack über sein neu gebautes Holzregal gekippt hatte, unabsichtlich, aber er hatte sie dafür fürchterlich beschimpft.
Heute verstand sie seine Wut, denn was hatte er schon, das ihm wirklich Freude machte? Er hatte damals nur dieses Regal gehabt, das sie verhunzt hatte. Und doch blieb dieser letzte Tag von ihm in ihrem Zimmer wie ein Muttermal kleben. Seitdem war er nie wieder laut gegen sie geworden.
Sarah sah ihn an. Er sah vergrämt und alt aus, jetzt, im Sonnenlicht.
Ben Newshorn sah seine Tochter an. Engelshaar, dachte er. Nun war sie schon fast vierzig und hatte immer noch dieses engelsblonde Haar.
„Du siehst wunderschön aus“, flüsterte er ihr zu. Sie hörte nicht hin. Er setzte sich zu ihr an das Bett.
„Was macht das Baby?“, fragte er wieder leise. Sarah sah zum Fenster hinaus. Wann hatte ihr Vater je nach ihrem Baby gefragt?
„Wie geht es dir?“, fragte er weiter, als sie schwieg. „Ich möchte heute Abend gerne bei dir bleiben“, sagte er etwas lauter, um sicher zu sein, dass sie ihn auch hörte. „Darf ich?“
Sie nickte vorsichtig.
„Ich will nicht unten zu Gericht sitzen und Urteile fällen, die nicht richtig sind.“
Sie verstand ihn nicht. Wie auch?
Sie schwiegen.
„Ich denke oft an Dane“, sagte er leise und brachte sie damit schließlich zur Aufmerksamkeit. „Du auch?“
Sarah schüttelte den Kopf, als hätte sie soeben eine Ohrfeige bekommen.
„Wie auch“, sagte ihr Vater. „Man hat es dir ja verboten.“
Sarah nickte.
„Dann versuche doch, heimlich an ihn zu denken.“
Sarah sah auf. „Heimlich?“
„Ja, warum nicht? Ich tue es auch.“
„Heimlich“, wiederholte Sarah abwesend.
„Was macht Julie?“, fragte ihr Vater unbehaglich.
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich mag sie nicht“, sagte er vorsichtig. „Seit sie da ist, geht es dir schlecht.“
Beide schwiegen wieder.
„Verurteilst du mich dafür?“, fragte er.
Sie schüttelte ihren Kopf.
„Warum lässt du dann das Urteil dieser Frau gelten, wenn du Dane noch immer liebst?“
„Hab' ich nie gesagt!“, antwortete sie endlich.
„Was?“
„Dass ich Dane noch liebe.“
„Brauchst du auch nicht. Ich weiß es. Was war so schlecht an ihm, dass du ihn jetzt hassen willst?“
„Ich will ihn nicht hassen, ich muss es.“
„Weil Julie es sagt?“
„Das ist nicht wahr!“
„Julie sagt zu

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