Das blaue Haus (German Edition)
öffnen, fiel sein Blick auf eine Schranktür links neben dem Eingang, die falsch geschlossen war. Dieser Jason! Hundert Mal erklärt, und der Junge kapiert nichts. Erst die rechte, dann die linke Tür schließen, sonst klafften sie doch übereinander. Er öffnete die Schranktüren und sah direkt auf den Zettel. Stoff bestellen . Jetzt überkam ihn der Zorn. So ging es mit diesem Jason nicht weiter. Er musste wirklich mit ihm über seine weitere Einstellung hier in diesem Bestattungsinstitut reden, denn so leicht musste er es sich nun wirklich nicht machen.
Pierson nahm den Zettel an sich und steckte ihn in die linke Tasche seines schwarzen Jacketts. Er schloss die Schranktüren korrekt, erst die rechte, dann die linke, und ging wieder zurück zu dem Sarg. Dane Gelton. Er vergaß das Nachsehen, dachte verärgert an seine Uhr und holte die fahrbare Trage aus dem Nebenraum. Dann rollte der Sarg hinaus auf den Flur zum Aufzug. Vielleicht hatte ja Jason seine Uhr.
*
Dane fror entsetzlich. Das Hocken tat ihm weh. Seine Beine kribbelten bereits. Er wollte sich aus dem Gebüsch herauszwängen und bewegen, aber da war das Licht hinter den Kellerfenstern angegangen. Jemand war bei den Särgen – bei seinem Sarg. Dane erstarrte. Eine Hand zog das offene Oberlicht zu. Zehn Minuten später erlosch das Licht wieder.
Wirre Gedanken kämpften gegen Müdigkeit, Spannung, Glück und Depression an. Er wusste nicht einmal, wie lange er hier schon hockte. Ein Geräusch ließ ihn erneut aufmerksam werden. Der Motor des Leichenwagens sprang an und schickte eine riesige Abgaswolke in seine Richtung. Das schwere Gefährt setzte rückwärts an den Seiteneingang des Hauses heran. Das Abgas stieg in seine Nase, und er musste husten. Der Motor des schwarzen Lincoln verstummte. Pierson stieg aus und öffnete die breite Tür des Seiteneingangs. Dane unterdrückte weitere Hustenanfälle und röchelte.
Pierson!, erinnerte er sich, als er den schwarz gekleideten Mann in dem Seiteneingang verschwinden sah. Er war bei Peace by Pierson! Dieses Unternehmen stieß sich wirklich gesund an seiner Familie.
Um Atem ringend sah Dane einen Eichensarg in dem Wagen verschwinden. Seinen Sarg! Pierson hatte wohl nichts gemerkt. Der Hustenreiz ließ nach. Frierend schlang er die Arme um sich. Seine Kleidung war edel, aber nicht sehr warm. Der Leichenwagen fuhr davon.
Es sollte noch eine weitere Viertelstunde vergehen, bis Dane Gelton sein Versteck verlassen konnte. Ohne Idee, was er jetzt tun sollte. Vielleicht war die Idee irgendwo da draußen. Seine Haut begann zu jucken. War es möglich, dass man seinen ganzen Körper eingerieben hatte? Es juckte ihn fürchterlich, und stinken tat er auch.
Aufrecht betrat Dane die Straße, unterdrückte den Juckreiz und schlug den Weg in die Stadt ein.
Dezember 1996. Kansas City. Psychiatrie Heaven.
Es war nicht nur Joe, der seinen Gesang unterbrach, als Dane Gelton mit einem weißen Leinentuch abgedeckt hinaus auf den Gang und dann in den Aufzug geschoben wurde; Stumme begannen zu tuscheln, Thomas hörte auf zu schreien, Joseph zu lachen. Abwesende schauten hoch, und Kicherer wurden ernst. Die feindseligen Gruppen vergaßen kurzzeitig ihre Feindseligkeit. Man fühlte sich von der Angst befreit, aber auch enttäuscht. Wie sehr hatten sie auf den ersten konkreten Kontakt mit diesem Mörder gewartet. Eine neue Intelligenz hätte das Leben auf der Station sicher frisch belebt und viele neue, interessante Kämpfe entfachen lassen.
Sie alle sahen ihm nach, und es verband sie ein merkwürdiger Gedanke, den sie weder aussprachen noch vonseiten des Personals wahrgenommen wurde. Die Patienten brauchten sich nicht anzusehen, um sich mitzuteilen, was sie dachten, als sie das weiße Tuch verschwinden sahen. Was sie noch sahen, war Danes linke Hand, die unter dem Leinentuch hervorschaute, als würde sie winken. Sie tat es natürlich nicht, aber die Patienten sahen oftmals Dinge, die kein Pfleger wahrnahm. Danes Hand gab so etwas wie ein unsichtbares Signal, und alle wussten, dass Dane Gelton nicht tot war. Es war ein Gefühl, ein Band, das nur unter ihnen bestand.
Erst nickte einer, als das Bett über den Flur rollte, dann nickten drei, dann nickten alle Patienten im Sicherheitstrakt, und keiner vom Personal wusste, was hier eigentlich los war.
Alle Patienten standen auf dem Flur und nickten mit dem Kopf. Verunsichert bereitete sich das Personal auf eine Gruppenkonfrontation vor, denn manchmal hatte sie merkwürdige Vorzeichen. Aber es
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