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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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vielen? Dann sollte sich der alte Mann aber schwer vorsehen mit seinen Worten. Geschenke sind nicht immer das, was sie vorzugeben scheinen. Und mit ihnen erfüllt sich nicht immer die Erwartung, die man in sie steckt.
„Zu wem wollen Sie?“, fragte Dane unsicher.
„Ich heiße Julie. Sie können du zu mir sagen.“
Das war nicht die Antwort, die er hören wollte und doch war es eine – eine von Ragees Art. Dane nickte und fühlte die Pflicht, ihr ebenfalls seinen Vornamen anzubieten, was er nur ungern tat. Dabei wäre ihm fast sein richtiger Namen herausgerutscht. Er musste sich an den neuen Namen erst gewöhnen. Julie lächelte triumphierend. „Der Name passt gar nicht zu dir“, sagte sie keck. „Ich hätte eher auf Dale oder David getippt.“
Dane fühlte einen Stich. Wie berechnend war diese Antwort? War sie berechnend? Sie war zu nahe dran, um nicht berechnend zu sein.
„So?“, antwortete er missbilligend.
„Ja. Alan trägt keinen Vollbart.“
„Dale oder David etwa?“ Er war froh, dass sie nicht Dane gesagt hatte. Das hätte ihn wirklich rot werden lassen. Vielleicht wusste sie doch nichts.
„Du solltest ihn wegmachen.“
Sie war frech, und er hoffte, sie ginge bald wieder. Ihre Intimitäten waren unangebracht und zeugten von einer gewissen Respektlosigkeit. Dane mochte das nicht. Er hatte schon genug Schwierigkeiten mit Ragee.
„Besuch für mich, was?“, stellte Dane frech zur Antwort.
„Ja. Warum nicht? Es kommen nicht häufig fremde und interessante Menschen in diesen Ort. Du bist im Moment die Attraktion des Krankenhauses.“
„Bin ich das? Warum?“ Dane wurde aufmerksam.
„Ragee macht dich zu einer.“
Jetzt wurde er doch rot. Was erzählte dieser Ragee über ihn? „Was erzählt Ragee über mich?“
„Es ist die Tatsache, wie er mit dir umgeht, dass er mit dir umgeht. Er geht nicht mit vielen Menschen um. Nur mit interessanten.“
„Was habe ich getan, was mich so interessant macht?“
„Du kommst aus dem Nichts.“
„Ich habe eine Geschichte. Dr. Bauer weiß sie. Ich will zu meiner Frau nach Denver.“
„Ohne alles?“
Dane wurde böse. Was war das? Ein Verhör? Hatte Ragee sie geschickt? Wo blieb er, verdammt noch mal!
„Ich bin in Kansas City ausgeraubt worden. Ich war einige Tage ohne Unterkunft. Daher auch die Lungenentzündung.“
„Eine gute Identität verliert sich nicht.“
Jetzt wurde er unruhig. „Wie soll ich das bitte verstehen?“
„Die Polizei. Ein Anruf und du hättest Geld, Kreditkarten und deine Position wieder im Leben.“
„Es ist komplizierter, als nur die Polizei anzurufen.“
„Und genau das macht dich interessant.“
„Es geht dich nichts an.“ Dane sah zum Fenster hinaus und wünschte sich Ragee herbei, der ihn auffangen musste. Verdammt, wie konnte er ihr nur so schnell das Du angeboten haben? Es hatte eine Distanz genommen, die er sich besser bewahrt hätte. Julie war zu jung und neugierig, zu neugierig, wie er fand. Er mochte das nicht – nicht von ihr. Ihre Neugierde hatte vielleicht andere Ziele als die von Ragee.
Julie betrachtete sein Profil. Sie las die Zeitung nicht so, wie ihr Vater es immer tat. Sie hatte auch nicht die Zeit und das Interesse dazu. Wahrscheinlich hatte sie vor vielen Wochen oberflächlich einen Bericht von Dane Gelton überflogen, aber es hatte keinen Zusammenhang zu dem Menschen, der vor ihr saß, der ihr unglaublich gut gefiel – und Ragee gefiel, dem Personal gefiel, allen gefiel. Dazu gehörte auch Dr. Bauer. Aber schon alleine die Tatsache, dass Ragee ihn mochte, machte sie neugierig.
Ihr Pflegevater war sehr einsam, seit Shirley tot war. Das wusste sie. Sie ging ihn seitdem öfter besuchen. Seit er aus seinem Beruf war und seine Frau verloren hatte, gab es kaum etwas, das ihn wirklich ernsthaft beschäftigte. Zwei Drittel seines Lebens hatte er mit Menschen und Gesprächen verbracht. Nun war alles weg, und eine große Stille umgab ihn. Die konnte auch Julie mit ihren Besuchen nicht vertreiben. Sie führte seit drei Jahren ein eigenes Leben – zwei Straßen weiter als er. Niemand schien mehr so richtig seine Hilfe zu suchen, wie es früher der Fall gewesen war. Er war der einzige Psychiater im Ort gewesen, der immer mehr als nur den Patienten gesehen hatte. Er war der, der das Gute aus ihnen herausholen und die Depression nehmen konnte. Dass seine Methoden erfolgreich waren, zeigte sein täglich überfüllter Terminkalender, der nicht einmal am Wochenende leer blieb. Ragee war immer für jedermann jederzeit da

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