Das blaue Haus (German Edition)
Glas. Ragees Atem schuf neue zierliche Eisgebilde – einsam, mitten ins Glas. Er begann: „Ich habe alle Artikel über dich aus allen Zeitungen gesammelt, die ich bekommen konnte. Ich habe sie überarbeitet bei mir liegen. Ich habe die Lüge und das Übertriebene gefiltert, den Rest gemaßregelt und den Menschen Dane Gelton gefunden – keine Bestie, kein Monster, sondern einen Menschen. Ich wollte ihn in der Klinik besuchen gehen, um mit ihm zu reden, aber er ist am 18. Dezember gestorben. Ich habe mir den Weg gespart. Er ist zu mir gekommen, wie ich gestern feststellen konnte. Ich bin glücklich, dass du gekommen bist. Es freut mich, dich kennenzulernen.“
Ragee drehte sich um und sah Dane an.
Der saß wieder im Bett. Ihm war heiß. Konnte er die Wahnbilder nicht mehr von den Realbildern unterscheiden? Wie ein Nebel umzogen die Worte des alten Mannes seinen Verstand. Der redete weiter: „Es ist mir ein besonderes Vergnügen, dir folgendes Angebot zu machen: Ich weiß, dass du mittellos bist, auch, dass du nicht so einfach zu deiner Frau kannst. Dazu gehört eine Menge mehr, als nur hinzufahren und ihr zu sagen, dass du sie liebst, dass dir alles leidtut und du bei ihr bleiben willst. Sie weiß nur, dass du tot bist. Also muss alles gut vorbereitet werden, du musst vorbereitet werden – in vielerlei Hinsicht. Ich biete dir an, bei mir zu wohnen. Ich habe ein Haus in Junction City und eins in Salina, da wo Hans in der Klinik gewesen war. Beide Häuser könnten neuen Wind gebrauchen. Und ich wäre auch nicht mehr so viel alleine. Ich möchte dir meine Hilfe anbieten und mit dir eine Möglichkeit erarbeiten, mit der du es schaffen könntest, wieder zu deiner Frau zu kommen. Du kannst in dieser Zeit kostenlos bei mir wohnen. Ich habe ein schönes Zimmer für dich. Ich mache dir dieses Angebot nur einmal. Überlege es dir reichlich und lange.“ Der Alte drehte sich um und ging in den Waschbereich, der durch einen Vorhang von ihrem Zimmer abgegrenzt wurde.
Die Hitze in Danes Körper steigerte sich. Er versuchte, sich wieder zu fangen und sagte leise: „Das war viel ... zu viel für mich.“ Er sank nach hinten in sein Bett und starrte die Decke an.
Ragee kam wieder in das Zimmer zurück. Er hatte sich nach all den Worten, die er sich den ganzen Tag gut überlegt hatte, etwas frisch machen müssen. Er ging wieder zum Fenster, wollte keinen Zweifel an seinen Worten aufkommen lassen. Sie waren gut durchdacht und warteten nun auf eine Antwort, die ganze zwei Stunden auf sich warten ließ. Solange brauchte Dane, um mit der neuen Situation fertig zu werden.
Dann, als Ragee müde wurde und dachte, Dane würde ihm an diesem Abend nicht mehr antworten, hörte er ein Flüstern: „Was, wenn ich das alles nicht will?“
Ragee flüsterte zurück: „Dann wirst du dir Gedanken machen müssen, wie dich ein Bus kostenlos weiterbringt und du dich dort vor der nächsten Nervenklinik zu verantworten hast, denn die wird dich ganz gewiss bald einfangen.“
Dane wurde lauter: „Ich bin schlau. Ich schaffe, das alles zu umgehen ...“
„Du bist nicht schlau“, fiel ihm der Alte ins Wort. „Wenn du schlau wärst, würdest du mein Angebot annehmen.“
Dane schwieg. Er fühlte wieder diese Hitze im Kopf – Hitze ohne Verstand.
„Erzähl mir von Hans“, beschwichtigte sich Dane, um so einer richtigen Antwort auf die Spur zu kommen.
Ragee erzählte. Da wusste Dane, seinem wahren Meister begegnet zu sein. Ragee wusste alles über ihn – mehr als er selbst. Wer war dieser Raimund Geers überhaupt, und was machte ihn so sicher, dies alles tun zu müssen?
Dane schlief die ganze Nacht nicht.
Gegen Morgen kam Julie mit einem Fieberthermometer und einem Blutdruckgerät in das Zimmer. Sie presste Dane das Thermometer unter die Zunge. „Gehst du weg?“, fragte sie, während sie ihren Vater wachrüttelte und ihm seine geklebte Brille reichte. Dane schüttelte stumm den Kopf, denn wie hätte er mit dem Thermometer im Mund auch Nein sagen können?
Julie kam wieder, wie angekündigt, nach ihrem Dienst. Ihr Erscheinen traf Dane wie ein Pfeil. Er wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen, aber auch nichts heraufbeschwören, wenn er an ihre möglichen Absichten dachte. Nur eine nette Geste, ein Lächeln, weiter nichts. Sie lächelte zurück.
Er trug die Kleidung, die sie ihm besorgt hatte. Sein Parker hing sorgfältig an einem Bügel, und die Schuhe standen ordentlich darunter. Die Sohlen waren nass vom Schnee. Er musste draußen gewesen sein.
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