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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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wie er Tränen vor Rührung in den Augen hatte?“
Sie hielt inne.
„Er wollte sich keine Blöße vor dir geben und ist sicherlich nur ein paar Schritte ums Haus. Er kommt wieder, wenn er seine Fassung zurückerlangt hat. Du wirst sehen.“
Sie sah ihn an. „Meinst du?“ Es schmeichelte ihr, dass sie solche Gefühle in Alan hervorgerufen haben könnte. War er doch sensibler ihr gegenüber, als sie vermutete? Bedeutete sie ihm mehr, als sie sich zu träumen gewagt hatte? Sie ließ sich auf jeden Fall damit vorerst beruhigen.
Als beide den Kuchen aßen, bebte Ragee innerlich vor Angst, und Julie tanzte wahre Freudentänze. Bis der alte Mann seine Ruhe verlor und sagte: „Vielleicht ist es besser, wenn du uns erst mal alleine lässt. Ich glaube, er traut sich gar nicht mehr hierher, solange du noch hier bist. Er wird ihm peinlich sein, dir direkt wieder zu begegnen. Ich glaube, er möchte dir gegenüber keine Schwäche zeigen. Lass ihn erst mal hier richtig ankommen. Dann kannst du noch genug Zeit mit ihm verbringen. Wir Männer sind eben so.“
Ließ sich Julie auf die Bitte ihres alten Herrn ein? Sie besaß die gleiche Sturheit wie er. Doch sie besann sich. Ragee hatte es immer gut mit ihr gemeint. Er hatte sicherlich auch diesmal recht.
    *
    Als Dane die Asher Avenue wiederfand, war Julie bereits weg. Da sich kein Wagen in der Auffahrt befand, wusste er nicht, ob sie mit Ragee verschwunden war. Doch der alte Mann stand in der Tür, als er die Auffahrt hinaufkam. Er sah sofort das misshandelte Gesicht. War Dane in eine Schlägerei geraten oder hatte er sich die Verletzungen selbst zugefügt?
Dane blieb sofort auf Distanz stehen, als er Ragee sah. Dass der Mazda weg war, beruhigte ihn zunächst. So brauchte er nicht beiden zugleich Rechenschaft ablegen. Er konnte sowieso nicht beiden gleichzeitig begegnen. Zusammen wirkten sie wie Sprengstoff auf ihn.
Er versuchte, keine Scham dem alten Mann gegenüber zu zeigen, doch es blieb der Blick eines reuevollen kleinen Jungen, der wusste, dass er etwas wirklich Dummes getan hatte.
Mit dem Blick wusste Ragee, dass die Verletzungen im Gesicht nichts weiter als eine autoaggressive Reaktion gewesen war, eine gewalttätige Reaktion sich selbst gegenüber. Er holte ihn stumm ins Haus und zeigte ihm das Badezimmer, wo er einen frischen Waschlappen und ein Handtuch an der Dusche bereitgelegt hatte. Dane folgte ihm schweigend und duschte.
Ragee hatte auch neue Kleidung für ihn bereitgelegt, die Julie in den letzten Tagen besorgt hatte.
Als Dane den Wohnraum wieder betrat, saß Ragee vor dem knisternden Kamin und starrte in das prasselndes Feuer. Er roch den Duft von frischer Seife und reichte Dane ein kleines Buch, das in der Mitte aufgeschlagen war. Dane las:
    Selbstbeschädigung ist die humane Verarbeitung von Verzweiflung. Autoaggression – Aggressionen, die sich aus Wut über sich selbst gegen den eigenen Körper richten.
    Dane reichte das Buch stumm zurück. Seine Verletzungen waren durch die Dusche ansehnlicher geworden. Jetzt sah Ragee auch die Bisse auf seinem Handrücken.
„Setz dich“, bot er an und wies Dane einen zweiten Sessel am Kamin zu. „Shirleys Sessel. Jetzt ist es deiner.“
Dane setzte sich und sah in die Flammen. Sie verbrannten alles, das sich ihnen in den Weg legte. Sie hatten ewigen Bestand als eine unveränderliche Gabe der Natur, und niemand sprach ihnen ihre Grausamkeit ab.
Er dachte an Selbstmord, doch das Feuer strahlte eine Wärme aus, die ihn erfasste und wohlig stimmte. Also, doch nicht nur grausam. Hatte diese grausame Beschaffenheit der Natur auch gute und durchaus brauchbare Eigenschaften, die vielleicht die bösen übertrafen? Was hatte Feuer Gutes, jetzt zum Beispiel? Es half Ragee und ihm jetzt über die Kälte hinweg. Alles, was es forderte, war ein bisschen Vertrauen und eine gesunde Vorsicht.
Ragee stand auf und wollte das Bad neu richten, doch alles befand sich in bester Ordnung. Julie hinterließ jedes Mal ein Chaos. Der alte Mann lächelte und freute sich, in dieser Hinsicht mehr als eine Bereicherung bei sich aufgenommen zu haben.
„Ich wollte nicht, dass du es so erfährst“, sagte er, als er wieder vor dem Feuer saß. Dane schürte mit einem Eisenhaken in den Flammen herum. „Ich auch nicht“, bemerkte er sarkastisch. Dann kehrte wieder Stille ein, knisternde Stille.
„Julie hat uns Putenbraten gemacht.“
„Ich will jetzt nicht von Julie sprechen.“
Ragee räusperte sich. Er begann, seine Brille mit einem Papiertaschentuch

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