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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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ihm durchkämpften, unterdrücken. Seine Stimme fragte flüsternd: „Und du? Was war mit deinen Gefühlen?“
Dane kam aus der Hocke hoch und näherte sich wieder dem Feuer. Er wirkte etwas gefasster. „Ich weiß nicht. Ich war vielleicht nicht ganz so enttäuscht wie sie. Ich hatte noch mehr Kraft. Sie ... sie hatte es nicht leicht. Sie musste den ganzen Tag lang arbeiten, die Farm versorgen, uns versorgen. Sie hatte nie Zeit für sich, war immer erschöpft und müde. Wir haben ihr viel Kummer gemacht.“
„Habt ihr das, oder war es dein Vater?“
„Wir alle. Zusammen. Sie hat es nicht leicht gehabt.“
„Fühlst du dich verantwortlich?“
„Ja.“
„Wofür?“
„Für das, was in der Scheune passierte.“
„Du meinst, es war deine Schuld, was dein Vater getan hat?“
„Ja.“
„Warum?“
„Ich habe es zugelassen.“
„ Was hast du zugelassen?“
Dane lief wieder durch das Zimmer. Wie konnte er das Gespräch nur beenden?
Ragee wiederholte seine Frage: „ Was hast du zugelassen bei deinem Vater?“
„Dass er mich anfasste! Verdammt! Hör auf!“, schrie Dane.
„Was konntest du dagegen tun?!“, schrie Ragee zurück.
„Mich wehren!“
„Wie?“
„Ihn anschreien ... weglaufen!“
„Du meinst, das hätte was genützt, Dane?!“
„Ich weiß es nicht! Verdammt! Ich hätte es tun müssen! Für meine Mutter! Für ihre Liebe zu mir! Damit sie keinen Kummer mit mir hatte!“
„Was für einen Kummer hatte sie mit dir?“
„Ich hatte nie Hunger. Mir war oft schlecht. Ich kränkelte viel und war sehr schlecht in der Schule. Es gab kaum einen Tag, an dem sie nicht traurig über mich war.“
Warum wohl, dachte Ragee und drückte sich schutzsuchend in den Sessel. Ihm war plötzlich kalt. „Du warst aber nicht so wegen deiner Mutter. Es war dein Vater, der das alles in dir ausgelöst hat. Hat das deine Mutter nicht erkannt?“
„Sie hatte immer viel zu tun und kaum Zeit für uns.“
„Oder wollte sie keine Zeit haben?“, fragte Ragee vorsichtig.
„Sie konnte es nicht.“
Ragee verstand. Dane baute eine Mauer um sie.
„Dane, Junge, es ist unmöglich, sich als kleines Kind allein gegen solche Mächte, wie sie dein Vater über dich ausgeübt hat, zu wehren. Du warst in dem Alter gar nicht dazu in der Lage, dich zu wehren. Es ist unmöglich als Vierjähriger – für jedes Kind, gleich, welchen Alters. Du brauchtest dringend Hilfe.“
Ein seltsames Schweigen entstand. Ein Schweigen, wie es für Ragee nicht besser sein konnte.
„Welche Hilfe? Wer konnte mir schon helfen?“, fragte Dane flüsternd.
„Das is deine Frage. Und nur du allein weißt die Antwort.“
Dane dachte nach. Er dachte an seine Brüder. Jeff hatte versucht, ihm zu helfen und dafür mit seinem Leben bezahlt. Kevin hatte schon mit zwei Jahren sein Leben verloren. Da konnte unmöglich Hilfe herkommen.
„Wer, Ragee? Sag mir, wer?“
„Wen hast du eben in deinen Gedanken vergessen? Wen, den du am meisten dabei beschützen wolltest?“
Dane sah auf – Ragee direkt ins Gesicht, in die Augen, und es traf sich der gleiche Gedanke, den Ragee gestenreich belächelte und Dane von sich zu schütteln versuchte. „Oh, nein! Ich glaube nicht, dass sie das konnte!“
„Warum?“
„Sie hatte alles, was ihr möglich war, für uns getan. Mein Vater war groß – und stark.“
„Und das entschuldigt sie und macht dich zum Schuldigen, obwohl du immer um sie gekämpft hast?“
„Du siehst das falsch“, fuhr Dane ihm erbost dazwischen.
„Sag mir, was ich falsch sehe, Dane.“ Der Alte blieb ruhig.
„Es gibt manchmal Dinge, die man nicht umgehen kann: zum Beispiel Verantwortung. Sie hatte drei Kinder, um die sie sich kümmern musste.“
„Eben. Du sprichst es aus. Hatte sie gesunde, lebensfrohe, lachende Kinder, die glücklich über die Wiesen gelaufen sind?“
Dane unterdrückte einen tiefen Schmerz. Wie oft hatte er sich das gewünscht. Der Alte redete weiter: „Hast du je daran gedacht, dass sie eine falsche Verantwortung für den falschen Menschen getragen hat?“
„Was hätte sie tun können?!“
„Ja, Dane, was hätte sie tun können, als sie sah, wie sehr du, Jeff und Kevin in Nöten ward?“
„Weggehen, ich weiß, aber sie hatte viel zu viel Angst dazu! Wir hatten die sechziger Jahre und sie niemanden, wo sie hin konnte. Es war nicht so wie heute!“
Ragee schüttelte den Kopf. „Es gab nicht nur das Weggehen.“
„Du meinst, mit ihm zu reden? Du bist ein Narr! Du kanntest meinen Vater nicht!“
„Vielleicht nicht mit deinem

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