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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Mary, die mit einem in Quetta stationierten Soldaten verheiratet war, und dann Angus.
    Angus war der Liebling der Familie, ja, er war der Liebling von jedermann, hübsch, blond, blauäugig, und er absolvierte sein letztes Jahr in Oxford. Er raste mit hoher Geschwindigkeit in einem Triumph-Cabriolet mit großen, polierten Scheinwer fern durch die Gegend, er spielte sehr gut Tennis und sah in seiner weißen Flanellhose und seinem blendendweißen Hemd wie ein Filmidol aus.
    Meine Schwester Jassy, zwei Jahre älter als ich, war wahn sinnig in ihn verliebt, aber sie war damals erst zehn, und Angus war nie ohne ein hübsches Mädchen an seiner Seite zu sehen. Aber ich verstand, warum sie in ihn verliebt war, denn wenn es uns gelang, ihn in einem Moment zu erwischen, wo er nicht anderweitig beschäftigt war, dann war er stets bereit, mit uns Kricket zu spielen oder am Strand riesige Sandburgen zu bauen, mit tiefen Gräben, welche die Flut füllte, während wir planschten und schrien und wie verrückt gruben und die Dämme abstützten, um das Wasser fernzuhalten.
    Dann verließ Angus Oxford, und es blieb nicht aus, daß er seine Eltern nach Indien begleitete. Jedoch nicht als Staatsdiener, sondern als Angestellter von Ironsides, der großen Schiff fahrtsgesellschaft, die den Betrieb übernommen hatte, als die Ostindien-Companie aufgab. Infolgedessen wohnte er nicht bei seinen Eltern im Regierungsgebäude, sondern er hatte in der Stadt eine eigene Wohnung, die er mit einigen anderen, un gefähr gleichaltrigen jungen Männern teilte.
    Es ist schwierig, sich zu erinnern, wann die ersten Gerüchte durchsickerten. Und es ist unmöglich, sich zu erinnern, wie Jassy und ich mitbekamen, daß etwas nicht stimmte. Meine Mutter erhielt einen Brief von meinem Vater. Sie las ihn beim Frühstück; sie verkniff den Mund wie immer, wenn es etwas geheimzuhalten galt. Den Rest der Mahlzeit schwieg sie. Ich hatte ein beklemmendes Gefühl im Magen, das mich den ganzen Tag nicht losließ.
    Dann kam Mrs. Dobson zu meiner Mutter zum Tee. Mrs. Dobson war auch eine Indien-Strohwitwe, die nicht um ihrer Kinder willen in England blieb, sondern weil sie sehr zart war und das heiße Klima des Ostens nicht vertrug. Ich spielte im Garten und stieß unvermutet zu ihnen, so daß ich das Ende ihres Gespräches aufschnappte.
    „Aber wie konnte er sie kennenlernen?“
    „Das kann man nie wissen. Er hatte immer ein Auge für hüb sche Mädchen.“
    „Aber er hätte jede haben können. Wie konnte er so dumm sein. Warum alle seine Chancen aufs Spiel setzen …?“
    Meine Mutter erspähte mich. Sie machte eine rasche Hand bewegung, und Mrs. Dobson brach ab, drehte sich um und lä chelte sogleich, als freue sie sich, mich zu sehen. „Ah, da ist ja Laura. Bist du aber ein großes Mädchen geworden.“ Und ich durfte mit ihnen Tee trinken und alle belegten Gurkenbrote essen, als ob ich darüber alles vergessen könnte, was ich wo möglich aufgeschnappt hatte.
    Am Ende ließ Doris, unser Hausmädchen, die Katze aus dem Sack. Doris’ Freund war Arthur Penfold, der den Garten der Tollivers in Ordnung hielt. An Doris’ freiem Tag holte Arthur sie mit seinem Motorrad ab, und sie fuhren zu den Ver gnügungsstätten von Penzance; Doris legte die Arme um Arthurs Taille, und ihr Rock wehte von ihren langen, wohl geformten, kunstseidenbestrumpften Beinen hoch.
    Manchmal, wenn ich abends die Haare gewaschen haben wollte oder Lust auf Gesellschaft hatte, kam Doris nach oben und badete mich.
    Sie kniete auf der Badematte, schrubbte den Schmutz des Tages von meinen Knien. Die feuchte Luft war von dem Duft von Pear’s Seife erfüllt. Doris sagte: „Angus Tolliver heiratet.“
    Ich verspürte einen kurzen Stich, aus Mitleid mit Jassy. Sie hatte vorgehabt, ihn selbst zu heiraten, wenn er nur lange ge nug warten würde, bis sie erwachsen wäre.
    „Woher weißt du das?“ fragte ich.
    „Arthur hat’s mir erzählt.“
    „Woher weiß er es?“
    „Agnes hat es seiner Mutter geschrieben.“ Agnes war Lady Tollivers Hausangestellte, eine mürrisch aussehende Frau, die ergeben nach Indien reiste und unter der stechenden Hitze Qualen litt, nur weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, daß eine dunkelhäutige Frau Lady Tollivers Leibwäsche bügelte. „Da draußen soll’s drunter und drüber gehen, hab ich gehört.“
    „Warum?“
    „Sie wollen nicht, daß Angus heiratet.“
    „Warum nicht?“
    „Weil sie Inderin ist. Darum. Mr. Angus heiratet eine Inde rin.“
    „Eine

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