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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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glitzernden Ohrringen. Unsere an deren Puppen hatten Namen wie Rosemarie und Grübchen, aber die Puppen, die Amita uns geschenkt hat, bekamen keine Namen. Wir haben nicht mit ihnen gespielt. Wir haben sie be trachtet und sie in einer Glasvitrine in unserem Schlafzimmer verwahrt, zusammen mit dem Puppenteeservice meiner Groß mutter und den geschnitzten Holztieren, die wir von einer alten Tante bekommen hatten.
     
     
    Ich konnte es nicht ertragen, mit irgend jemand über Amita zu sprechen. „Fandest du sie nett?“ fragte meine Mutter eines Tages, als Jassy bei einer Freundin zum Tee war und wir allein waren.
    Aber ich konnte ihr nicht sagen, wie mir zumute war oder was ich gelernt hatte, denn jetzt standen sie und ich auf ent gegengesetzten Seiten des Zaunes. Wir waren keineswegs ver feindet, aber wir vertraten verschiedene Meinungen und mußten lernen, für den Rest unseres Lebens damit zu leben.
    Darum sagte ich nur „ja“ und aß mein Butterbrot.
     
     
    Ich sah Angus und Amita nie wieder. Der Krieg brach aus, und sie konnten nicht nach Hause kommen. Amita war schwan ger, als die Japaner in Birma einfielen, aber sie entkam aus Rangun und marschierte zusammen mit einigen Beamten des Forstamtes, einer Anzahl wertvoller Elefanten mitsamt ihren Elefantentreibern sowie einer Gruppe britischer Frauen und Kinder nordwärts nach Assam. Angus blieb zurück, um sein Kontor aufzulösen und alle wichtigen Papiere zu vernichten. Er versprach nachzukommen, aber er brach zu spät auf, wurde von den Japanern gefangengenommen und starb ein Jahr spä ter im Gefangenenlager.
    Was Amita betraf, so erwies sich der lange Marsch für ein Mädchen, das nie etwas Anstrengenderes getan hatte, als die Seiten eines Buches umzublättern, als zuviel. Einen Tag nachdem die erschöpften Flüchtlinge nach Assam wankten, setzten bei Amita vorzeitig die Wehen ein. Man besorgte ihr ein Bett in einem Krankenhaus, aber sie konnten wenig für sie tun. Ihr Kind wurde tot geboren, und wenige Stunden darauf starb auch Amita.
     
     
    Ich habe die Puppe noch, die sie mir geschenkt hat. Die gefärb ten Haare umrahmen den dunklen Kopf, die Augen sind mit Kajal umrandet, der kleine Sari glitzert von Pailletten und Goldgarn. Wenn meine Enkelin eines Tages alt genug ist, werde ich ihr die Puppe zum Spielen geben und ihr von Amita erzählen.
    Ich könnte ihr auch von der Wahrheit erzählen, die Amita mir an jenem Sommernachmittag so eindrucksvoll klarge macht hat. Aber ich hoffe und glaube, daß sie, bis sie alt genug ist, um die Puppe geschenkt zu bekommen, es von selbst her ausgefunden haben wird.

Das blaue Zimmer
     

     
     
     
     
     
     
     
    A ls die Sonne am Himmel sank und sich lange Schatten über die Dünen erstreckten, leerte sich der Strand all mählich. Mütter riefen unwillige Kinder, lockten sie aus den warmen Ausläufern der sommerlichen Flut. Müde, sonnen verbrannte Kleinkinder wurden in Sportwagen verfrachtet, Picknickkörbe wieder eingepackt, vermißte Sandalen und Handtücher endlich aufgestöbert. Um sieben Uhr war der Strand fast verlassen, bis auf den Bademeister, der vor der Strandhütte in seinem Campingstuhl saß, ein paar unermüd liche Surfer und eine Frau mit einem übermütigen Hund.
    Und Emily und Portia.
    Emily war vierzehn, Portia war ein Jahr älter. Emily wohnte im Dorf – sie war hier geboren und hatte ihr ganzes Leben in dem weitläufigen alten Haus gleich hinter der Kirche ver bracht. Portia aber kam aus London. Solange Emily zurück denken konnte, hatten Portias Eltern für den August das Haus der Luscombes gemietet, während die Luscombes ihre Toch ter besuchten, die in einer abgelegenen Gegend von Schottland mit einem unaussprechlichen Namen wohnte.
    Als kleine Kinder hatten Emily und Portia jeden Sommer zu sammen gespielt. Normalerweise hätten sie einander vermutlich kaum beachtet, denn sie hatten wenig miteinander ge mein. Aber Portias Geschwister waren alle älter als sie, und Emily war ein Einzelkind. Von ihren Eltern ermuntert, hatten sie eine Gemeinschaft gebildet, die für beide ganz befriedigend war. Sie vertrauten sich gegenseitig.
    Portia war es gewesen, die den heutigen Ausflug an den Strand vorgeschlagen hatte. Sie hatte Emily nach dem Mittag essen angerufen.
    „… ich bin mutterseelenallein. Giles und seine Freunde se hen sich das Stock-Car-Rennen an… “ Giles war ihr Bruder, er studierte in Cambridge und war schrecklich geistreich und ge bildet. „… und ich wollte nicht mit. Es ist zu

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