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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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heiß, und dort stinkt es so.“ Emily antwortete nicht gleich, und Portia be merkte ihr Zögern. „Du hast doch nichts anderes vor, oder?“
    Den Telefonhörer in der Hand, lauschte Emily der Stille im Haus, das in der Nachmittagshitze döste. Als Mrs. Wattis nach dem Mittagessen aufgeräumt hatte, war sie nach Four bourne zu ihrer Schwester gefahren, wo sie über Nacht zu blei ben gedachte. Emilys Vater war in Bristol. Er hatte heute mor gen eine Geschäftsreise angetreten und würde erst in zwei Tagen zurück sein. Stephanie ruhte sich oben in ihrem Schlaf zimmer aus.
    „Nein, ich hab nichts weiter vor“, sagte Emily. „Ich komm gerne mit.“
    „Nimm ein paar Kekse oder belegte Brote mit. Ich hab eine Flasche Limonade. Wir treffen uns an der Kirche.“
    Emily hatte Portia ein Jahr nicht gesehen, und kaum er blickte sie sie, wurde ihr beklommen zumute. Immer das glei che. Alle ihre Schulfreundinnen schienen erwachsen zu wer den und Emily zu überflügeln, sie wurden versetzt, schafften ihre Zwischenprüfungen, während Emily hinterdrein stolperte, sich an die Geborgenheit der Kindheit klammerte, an das Bekannte, Vertraute. Sie sehnte sich danach, mit den ande ren voranzukommen, hatte aber nicht den Mut, den ersten, entschlossenen Schritt zu tun.
    Und jetzt Portia.
    Portia wurde erwachsen. Sie hatte eine gute Figur. In nur zwölf Monaten hatte sie sich vom Kind in eine junge Frau ver wandelt. Ihre knappen Shorts und das eng anliegende T-Shirt zeigten eine schmale Taille, schlanke Hüften, lange, braune Beine. Sie hatte die dunklen Locken schulterlang wachsen las sen, sie hatte sich Ohrlöcher stechen lassen und trug goldene Ohrringe. Sie glitzerten, wenn sie die Haare zurückwarf, ver fingen sich in den glänzenden Locken. Sie hatte sich die Zehen nägel rosa lackiert und die Beine rasiert.
    Als sie über den Golfplatz zum Meer schlenderten, kamen sie an einigen jungen Männern vorbei, Golfspielern auf dem Weg zum nächsten Abschlag. Letztes Jahr hätten die jungen Männer Portia und Emily gar nicht beachtet, aber heute sah Emily deren Augen auf Portia ruhen, und sie beobachtete Portias Reaktion: die Pantomime, die bewundernden Blicke nicht zu bemerken, ihren plötzlich selbstbewußten Gang, das Zurückwerfen des Kopfes, als ein Windstoß ihr die Haare in die Augen wehte. Die jungen Männer sahen Emily nicht an, und Emily erwartete es auch nicht. Denn wer mochte schon eine sehnige Vierzehnjährige beachten, ohne Formen und Kurven, mit strohblonden Haaren und einer gräßlichen Brille?
    „Du trägst immer noch eine Brille“, bemerkte Portia. „Warum läßt du dir keine Kontaktlinsen verpassen?“
    „Vielleicht später, es geht erst, wenn ich älter bin.“
    „Ein Mädchen in meiner Schule hat welche, aber sie sagt, am Anfang ist es eine Tortur.“
    Emily wurde übel. Sie konnte den Gedanken nicht ertra gen, sich Kontaktlinsen in die Augen zu stecken, sowenig wie sie es ertrug, sich die Fingernägel schneiden zu lassen (ihre Mutter hatte ihr die Handhabung einer kleinen Pappnagel feile gezeigt) oder Brote zu essen, in die Sand geraten war.
    Weil sie nicht über Kontaktlinsen sprechen wollte, fragte sie: „Hast du diesen Sommer die mittlere Reife gemacht?“
    Portia zog ein gelangweiltes Gesicht. „Ja, aber ich hab die Ergebnisse noch nicht. Ich glaube, es ist ganz gut gelaufen, aber jetzt wollen meine Eltern, daß ich Abi mache. Noch ein paar Jahre Schule, das halte ich nicht aus. Ich versuche sie zu überreden, daß ich nächsten Sommer abgehen und das Abi in einem Paukstudio machen kann oder so was. Die Schule macht mich krank.“ Emily bemerkte nichts dazu. „Und du? Hast du die mittlere Reife?“
    Emily sah fort von Portia, denn manchmal kamen ihr die Tränen, und sie hatte das Gefühl, daß es jetzt passieren würde.
    „Ich mach sie nächstes Jahr.“ Auf der anderen Seite der Bucht kroch ein Auto die Straße zum fernen Strand hinunter. Sonnenlicht blinkte auf den Fenstern, als sende es Signale. Sie sah angestrengt hin, und kurz darauf verflüchtigten sich die Tränen, unvergossen. Sie sagte: „Ich sollte sie diesen Sommer machen. Aber Miss Myles, die Rektorin, meinte, es wäre bes ser, noch ein Jahr zu warten.“
    Das Gespräch war ein Alptraum gewesen. Miss Myles war so gütig, so mitfühlend, und Emily hatte nichts anderes tun können, als dazusitzen und sie anzusehen, wie betäubt von Jammer, kaum imstande, ihr zuzuhören, kaum imstande, die vernünftigen Worte wahrzunehmen. Keiner erwartet von

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