Das blaue Zimmer
hat.“
„Ich glaube, das hat niemand von uns gewußt. Jedenfalls nicht so viel Geld.“
„Wie können wir ihm jemals danken?“
„Indem wir tun, was er sagt. Indem wir ganz genau tun, was er uns vorschlägt, und ihn dann zur Garteneinweihung ein laden. Wir geben eine kleine Party.“ Er grinste. „Das wird eine nette Abwechslung.“
Sie sah durch die schmierige Scheibe nach draußen. Eine Papiertüte aus einem benachbarten Mülleimer hatte den Weg in den Garten gefunden, und der gräßlichste der Kater, der mit dem zerrissenen Ohr, saß auf der Mauer und beäugte Jill.
Sie erwiderte den kalten Blick seiner grünen Augen mit Gleichmut. Sie sagte: „Ich kann meine Wäsche draußen auf hängen. Ich besorge Blumentöpfe und pflanze Knollen für den Frühling, und im Sommer pflanze ich Efeugeranien. Und Rob bie kann draußen spielen, und wir bauen einen Sandkasten. Und wenn der Balkon groß genug ist, kann ich das Baby im Wagen dort rausstellen. O Ian, wird es nicht wunderbar? Ich brauche nie mehr in den Park zu gehen, denk doch nur.“
„Weißt du, was ich denke?“ sagte Ian. „Ich denke, es wäre ein gute Idee, Edwin anzurufen.“
Sie gingen zum Telefon, wählten Edwins Nummer. Sie stan den dicht beisammen, die Arme umeinandergelegt, und warte ten, daß der alte Herr an den Apparat ging.
Das Haus auf dem Hügel
D as Dorf war winzig klein. In den zehn Jahren seines Le bens hatte Oliver noch keine so klitzekleine Ortschaft gesehen. Sechs graue Häuser aus Granit, eine Wirtschaft, eine alte Kirche, ein Pfarrhaus und ein kleiner Laden. Vor diesem parkte ein verbeulter Lieferwagen, irgendwo bellte ein Hund, doch davon abgesehen schien alles wie ausgestorben.
Mit dem Korb und Sarahs Einkaufsliste in der Hand öffnete er die Ladentür, über der JAMES THOMAS, LEBENSMITTEL UND TABAKWAREN geschrieben stand, und ging hinein, zwei Stufen hinab. Die zwei Männer an der Theke, der eine davor, der andere dahinter, drehten sich nach ihm um.
Er schloß die Tür hinter sich. „Kleinen Moment“, sagte der Mann hinter der Theke, vermutlich James Thomas, ein klei ner, glatzköpfiger Herr in einer braunen Strickjacke. Er sah wie ein ganz gewöhnlicher Mensch aus. Der andere Mann hin gegen, der eingekauft und nun eine Unmenge Lebensmittel zu bezahlen hatte, war nicht im mindesten gewöhnlich, sondern so groß, daß er sich im Stehen leicht bücken mußte, um nicht mit dem Kopf an die Deckenbalken zu stoßen. Er trug eine Lederjacke, geflickte Jeans und riesengroße Arbeiterstiefel, er hatte rote Haare und einen ebenso roten Bart. Oliver, der wußte, daß es sich nicht gehörte, Menschen anzustarren, starrte ihn an, und der Mann starrte aus einem Paar hellblauer, harter Augen ungerührt zurück. Es war verstörend: Oliver versuchte ein zaghaftes Lächeln, aber das wurde nicht erwi dert, und der bärtige Mann sagte kein Wort. Kurz darauf wandte er sich zur Theke und holte ein Bündel Geldscheine aus seiner Gesäßtasche. Mr. Thomas tippte die Preise in die Kasse und gab ihm den Zettel.
„Sieben Pfund fünfzig, Ben.“
Sein Kunde bezahlte, stapelte dann zwei vollbeladene Le bensmittelkartons übereinander, hob sie mühelos auf und steuerte auf die Tür zu. Oliver ging hin und hielt sie ihm auf. Auf der Schwelle sah der bärtige Mann auf ihn herunter. „Danke.“ Seine Stimme war tief wie ein Gong. Ben. Man konnte ihn sich auf dem Achterdeck eines Piratenschiffes Befehle bellend oder als Angehörigen einer mörderischen Bande von Strandräubern vorstellen. Oliver sah zu, wie er seine Kartons durch die Hecktür in seinem Lieferwagen verstaute, dann auf den Fahrersitz kletterte und den Motor anließ. Mit dröh nendem Auspuff und unter Prasseln von Straßensplitt fuhr das ramponierte Vehikel los. Oliver schloß die Tür und ging in den Laden zurück.
„Womit kann ich dienen, junger Mann?“
Oliver gab ihm die Liste. „Das ist für Mrs. Rudd.“
Mr. Thomas sah ihn lächelnd an. „Dann mußt du Sarahs kleiner Bruder sein. Sie hat gesagt, daß du sie besuchen kommst. Wann bist du angekommen?“
„Gestern abend. Mit dem Zug. Ich bin am Blinddarm ope riert, deshalb bleib ich zwei Wochen bei Sarah, bis ich wieder in die Schule muß.“
„Du wohnst in London, nicht?“
„Ja. In Putney.“
„Hier kommst du schnell wieder zu Kräften. Bist das erste Mal hier, wie? Wie gefällt dir das Tal?“
„Es ist schön. Ich bin vom Hof runtergelaufen.“
„Hast du Dachse
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