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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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unten an der Straße ab und trägt alles, was er braucht, auf dem Rücken nach oben.
    Manchmal, wenn es was Schweres ist, zum Beispiel ein neuer Grubber, leiht Will ihm den Traktor, dafür hilft er uns, wenn die Schafe lammen oder beim Heumachen.“
    Oliver dachte hierüber nach, während er seine Suppe aß. Es hörte sich ganz freundlich und harmlos an, aber damit ließen sich die Kälte in den blauen Augen, die Unfreundlichkeit des Mannes nicht erklären.
    „Wenn du magst“, sagte Will, „nehm ich dich mit zu ihm rauf. Eine von meinen Kühen hat eine Vorliebe für den Ab hang, bei jeder Gelegenheit haut sie mit ihrem Kalb dorthin ab. Sie ist jetzt oben. Seit heute morgen. Heute nachmittag muß ich sie zurückholen.“
    „Du mußt die Mauer reparieren“, warf Sarah ein.
    „Wir nehmen Pfähle und Zaundraht mit und sehen zu, wie wir’s hinkriegen.“ Er grinste Oliver an. „Du hast doch Lust, oder?“
    Oliver antwortete nicht gleich. Eigentlich fürchtete er sich davor, Ben Fox wiederzubegegnen, und doch zog der Mann ihn an. Außerdem konnte ihm nichts passieren, wenn Will da bei war. Sein Entschluß war gefaßt. „Ja, ich hab Lust.“ Und Sarah lächelte und schöpfte noch eine Kelle Suppe in seine Schale.
     
     
    Eine halbe Stunde später brachen sie auf, begleitet von Wills Schäferhund. Oliver trug eine Rolle Zaundraht, Will hatte sich ein paar stämmige Zaunpfähle auf die Schulter geladen. Ein schwerer Hammer zog die Tasche seiner Latzhose nach unten.
    Quer über Weiden und Felder stiegen sie zur Heide auf. Am Ende des letzten Feldes kamen sie zu einer Mauerlücke, wo die abtrünnige Kuh in ihrem entschlossenen Bemühen, hindurch zugelangen, mehrere Steine beiseite gestoßen hatte. Hier legte Will Pfähle, Hammer und Draht ab, stieg dann über die Mauer und ging voran in das Gestrüpp aus Farn und Dornensträu chern, das hinter der Mauer lag. Ein schmaler Pfad führte laby rinthartig durchs Unterholz, kaum zu sehen durch die dornigen Ginsterbüsche, doch am Ende kamen sie an den Fuß der großen Steinhaufen, steil wie Klippen, die den Hügel krönten. Zwischen zwei dieser mächtigen Felsblöcke gelangten sie durch eine schmale Schlucht zur Kuppe hinauf, wo die moosige Grasnarbe von mit Flechten bewachsenen Granitsteinen durchsetzt war und die kühle, salzige Luft, die direkt vom Meer her wehte, wohltuend Olivers Lungen füllte. Er sah die See im Norden, die Heide im Süden. Und dann das Häuschen. Sie standen unvermutet davor. Eingeschossig duckte es sich vor den Elementen, in eine natürliche Höhlung des Terrains geschmiegt. Aus dem Schornstein stieg Rauch. Ein kleiner Garten war vorhanden, von einer Trockenmauer geschützt. An der Mauer standen friedlich mampfend Wills Kuh und ihr Kalb.
    „Dummes Tier“, sagte Will zu ihr. Sie ließen sie grasen und gingen zur Vorderseite des Hauses, wo ein geräumiger Holz schuppen mit einem Wellblechdach stand. Die Tür stand of fen, und von drinnen kam das Kreischen einer Kettensäge, dann ein wildes Gebell, und im nächsten Moment schoß ein großer schwarzweißer Hund zu ihnen hinaus; er machte ein beängstigendes Spektakel, aber nicht, wie Oliver erleichtert feststellte, um was noch Schlimmeres zu tun.
    Will begrüßte das große Tier. Das Geräusch der Kettensäge verstummte abrupt. Gleich darauf erschien Ben Fox in der Tür.
    „Will.“ Diese tiefe, brummende Stimme. „Kommst wegen der Kuh, ja?“
    „Hoffentlich hat sie keinen Schaden angerichtet.“
    „Nicht daß ich wüßte.“
    „ Ich zäune die Lücke ein.“
    „Sie ist unten auf der Weide besser aufgehoben, hier oben könnte sie sich verletzen.“ Seine Augen wanderten zu Oliver, der mit erhobenem Gesicht stand und starrte. „Das ist Sarahs Bruder Oliver“, sagte Will. „Hab ich dich nicht heute morgen gesehen?“
    „Ja. Im Laden.“
    „Ich hatte keine Ahnung, wer du warst.“ Er wandte sich wieder Will zu. „Tasse Tee gefällig?“
    „Wenn du gerade welchen machst.“
    „Dann kommt rein.“
    Sie folgten ihm durch ein Tor in der Mauer, das er öffnete und hinter ihnen sorgfältig zuklinkte. Der Garten war gepflegt und üppig bepflanzt, mit lauter Gemüse und kleinen Apfel bäumen. Ben Fox zog seine Stiefel aus und ging hinein, indem er seinen mächtigen rothaarigen Kopf unter dem Türsturz duckte, und Will und Oliver zogen ebenfalls ihre Stiefel aus und folgten ihm in ein Zimmer, das so unerwartet war, daß Oliver nur ungläubig staunen konnte. Denn alle Wände waren mit Bücherregalen

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