Das blaue Zimmer
Reisen. New York, Hongkong, Japan. Neue Märkte erschließen. Ich wäre ständig unterwegs. Du wärst noch mehr allein als jetzt. Und dann müßten wir uns revanchieren. Wenn ausländische Einkäufer zu uns kämen, müßten wir uns um sie kümmern, sie einla den… du weißt schon.“
Sie dachte darüber nach, während sie im Dunkeln in seinen Armen lag, bei offenem Fenster, und sich die kühle Landluft ins Gesicht wehen ließ. Sie sagte: „Es wäre mir nicht lieb, wenn du oft weg wärst, aber ich könnte es ertragen. Ich würde nicht einsam sein, die Kinder wären ja da. Und ich würde wissen, daß du immer zu mir zurückkommst.“
Er küßte sie. Er sagte: „Habe ich dir je gesagt, daß ich dich liebe?“
„Ein-, zweimal.“
„Ich will den Posten. Ich trau mir das zu. Und ich will uns die Hypothek vom Hals schaffen und in den Sommerferien mit den Kindern in die Bretagne fahren und vielleicht einen Mann bezahlen, der uns diesen verdammten Garten umgräbt.“
„Sag das nicht.“ Alison legte Henry die Hand auf den Mund. „Sprich nicht darüber. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Dieses nächtliche Gespräch hatte vor ungefähr einem Mo nat stattgefunden, und seitdem hatten sie nicht mehr über Henrys mögliche Beförderung gesprochen. Doch vor einer Woche hatte Mr. Fairhurst, Henrys Vorgesetzter, Henry zum Mittagessen in seinen Club eingeladen. Henry mochte kaum glauben, daß Mr. Fairhurst ihm dieses vorzügliche Mahl ledig lich aus Freude an Henrys Gesellschaft spendierte, doch erst als sie bei dem köstlichen, mit bläulichen Adern durchzogenen Stiltonkäse und einem Glas Portwein angelangt waren, kam Mr. Fairhurst endlich zur Sache. Er erkundigte sich nach Alison und den Kindern. Henry sagte, es gehe ihnen ausge zeichnet.
„Für Kinder ist es gut, auf dem Land zu leben. Und Alison, gefällt es ihr dort?“
„Ja. Sie hat im Dorf viele Freunde gewonnen.“
„Das ist gut. Das ist sehr gut.“ Nachdenklich nahm sich der ältere der beiden Männer noch etwas Käse. „Eigentlich kenne ich Alison gar nicht richtig.“ Es hörte sich an, als grübele er vor sich hin, als sei die Bemerkung nicht an Henry gerichtet. „Hab sie natürlich auf Betriebsfesten gesehen, aber das zählt ja kaum. Ich würde mir gerne Ihr neues Haus ansehen…“
Seine Stimme verlor sich. Er blickte auf. Über die gestärkte Tischdecke und das schimmernde Tafelsilber hinweg sah Henry ihm ins Gesicht. Ihm wurde klar, daß Mr. Fairhurst auf eine formelle Einladung aus war, sie gar erwartete.
Er räusperte sich und sagte: „Vielleicht könnten Sie und Mrs. Fairhurst einmal zum Abendessen zu uns kommen?“
„Oh“, sagte der Vorgesetzte mit überraschter und erfreuter Miene, als sei das Ganze Henrys Idee gewesen, „sehr freund lich. Mrs. Fairhurst wird sich bestimmt freuen.“
„Ich… ich sage Alison, sie soll sie anrufen. Sie können einen Tag vereinbaren.“
„Wir werden geprüft, nicht wahr? Für den neuen Posten“, sagte Alison, als er ihr die Neuigkeit mitteilte. „Für die vielen Einladungen der ausländischen Kunden. Sie wollen wissen, ob ich das hinkriege, ob ich Gesellschaften geben kann.“
„So ausgedrückt, klingt es ziemlich gefühllos, aber… ja, ich glaube, es ist wahr.“
„Muß es schrecklich großartig sein?“
„Nein.“
„Aber förmlich.“
„Er ist der Chef.“
„Ach du meine Güte.“
„Mach nicht so ein Gesicht. Ich ertrage es nicht, wenn du so ein Gesicht machst.“
„Oh, Henry.“ Sie war drauf und dran zu weinen, aber er nahm sie in seine Arme, und da merkte er, daß sie doch nicht weinen mußte. „Vielleicht werden wir geprüft“, sagte er über ihren Kopf hinweg, „aber das ist bestimmt ein gutes Zeichen. Besser, als einfach übergangen zu werden.“
„Ja“, sagte Alison, und nach einer Weile: „Nur gut, daß wir ein Eßzimmer haben.“
Am nächsten Morgen rief sie Mrs. Fairhurst an, und bemüht, nicht allzu nervös zu klingen, lud sie Mrs. Fairhurst und ihren Mann zum Abendessen ein. „Oh, wie liebenswürdig.“ Mrs. Fairhurst wirkte ehrlich überrascht, als höre sie jetzt zum erstenmal davon.
„Wir… wir dachten, am Sechsten oder Siebten dieses Monats. Wann es Ihnen besser paßt.“
„Momentchen, ich muß in meinem Terminkalender nach sehen.“ Es folgte eine lange Pause. Alisons Herz klopfte heftig. Lächerlich, so nervös zu sein. Endlich war Mrs. Fairhurst wie der am Apparat. „Am Siebten würde es uns sehr gut
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