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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Reihe erschreckender Bilder flitzte ihr durch den Kopf. Henry, der sich noch in der Wanne rekelte, das bißchen Salat, das einzige, was sie zum Abendessen gemacht hatte, das Eßzimmer, eisig kalt und ungastlich.
    „Halten Sie den Garten selbst in Ordnung?“
    „Oh… o ja. Wir versuchen es. Er war völlig verwahrlost, als wir das Haus kauften.“
    „Und Sie haben zwei kleine Kinder?“ Mrs. Fairhurst hielt das Gespräch höflich in Gang.
    „Ja. Ja, sie sind schon im Bett. Ich habe eine Freundin, Evie. Sie ist die Schwester des Bauern. Sie hat sie ins Bett gebracht.“
    Was könnte man sonst noch sagen? Mr. Fairhurst hatte seine Zigarre angezündet, das Zimmer war von ihrem erlesenen Geruch erfüllt. Was könnte man sonst noch tun? Alison atmete tief durch. „Sie möchten bestimmt gerne einen Drink. Was darf ich Ihnen anbieten?“
    „Oh, sehr liebenswürdig.“ Mrs. Fairhurst blickte sich um. Weder Flaschen noch Weingläser waren bereitgestellt, aber wenn sie darüber irritiert war, so ließ sie es sich höflicherweise nicht anmerken. „Ein Glas Sherry wäre wunderbar.“
    „Und Sie, Mr. Fairhurst?“
    „Für mich dasselbe?“
    Sie pries beide im stillen, weil sie nicht um Martinis gebeten hatten. „Wir… wir haben eine Flasche Tio Pepe… ?“
    „Welch ein Genuß!“
    „Nur, leider… macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie einen Moment allein lasse? Henry – er hatte keine Zeit, ein Tablett mit Getränken herzurichten.“
    „Machen Sie sich unseretwegen keine Sorgen“, wurde ihr versichert. „Wir fühlen uns hier am Feuer sehr wohl.“
    Alison verschwand und schloß sachte die Tür hinter sich. Es war schrecklicher als alles, was man sich je hatte vorstellen können. Dabei waren es so nette, liebenswerte Leute, was alles nur noch schlimmer machte. Sie benahmen sich vorbildlich, und sie besaß nicht mal soviel Verstand, sich zu erinnern, für welchen Abend sie sie eingeladen hatte.
    Aber es war keine Zeit, um dazustehen und nichts zu tun, als sich zu hassen. Etwas mußte geschehen. Leise flitzte sie in Pan toffeln die Treppe hinauf. Die Badezimmertür stand offen, ebenso die Schlafzimmertür. Und dort stand Henry inmitten von hingeworfenen Badetüchern, Socken, Schuhen und Hem den und zog sich mit Lichtgeschwindigkeit an.
    „Henry, sie sind da.“
    „Ich weiß.“ Er streifte ein sauberes Hemd über den Kopf, steckte es in die Hose, machte den Reißverschluß zu und griff nach einer Krawatte. „Ich hab sie vom Badezimmerfenster aus gesehen.“
    „Es ist der falsche Abend. Ich muß einen Fehler gemacht haben.“
    „Das habe ich bereits mitgekriegt.“ Er ging in die Knie, um auf gleicher Höhe mit dem Spiegel zu sein, und kämmte sich die Haare.
    „Du mußt es ihnen sagen.“
    „Ich kann’s ihnen nicht sagen.“
    „Du meinst, wir müssen ihnen ein Essen vorsetzen?“
    „ Irgendwas müssen wir ihnen wohl bieten.“
    „Was soll ich bloß tun?“
    „Haben sie schon was zu trinken?“
    „Nein.“
    „Gib ihnen schnell was zu trinken, und danach sehen wir weiter.“
    Sie sprachen im Flüsterton. Er sah sie nicht mal richtig an. „Henry, es tut mir so leid.“
    Er knöpfte seine Weste zu. „Es ist nicht zu ändern. Geh jetzt runter und gib ihnen was zu trinken.“
    Sie raste wieder nach unten, blieb einen Moment vor der geschlossenen Wohnzimmertür stehen und hörte dahinter das kameradschaftliche Gemurmel ehelichen Geplauders. Sie pries sie abermals, weil sie zu den Leuten gehörten, die sich im mer etwas zu sagen hatten, und begab sich in die Küche. Da stand der Kuchen, frisch aus dem Ofen. Da stand der Salat. Und da stand Evie, den Hut auf, den Mantel zugeknöpft, auf dem Sprung. „Sie haben Besuch bekommen“, bemerkte sie mit fröhlicher Miene.
    „Das ist kein Besuch. Das sind die Fairhursts. Henrys Chef mit seiner Frau.“
    Evies Miene war nicht mehr fröhlich. „Aber die kommen doch morgen.“
    „Ich habe einen gräßlichen Irrtum begangen. Sie sind heute abend gekommen. Und es ist nichts zu essen da, Evie.“ Ihre Stimme brach. „Nichts.“
    Evie überlegte. Sie erkannte eine Krise auf den ersten Blick. Krisen waren Evies Lebenselixier. Mutterlose Lämmer, qual mende Kamine, Motten in den Kniekissen der Kirche – sie war mit allem fertig geworden. Nichts verschaffte Evie mehr Be friedigung, als sich einer Situation gewachsen zu zeigen. Jetzt sah sie auf die Uhr, dann setzte sie ihren Hut ab. „Ich bleib da“, verkündete sie, „und helf Ihnen.“
    „O Evie –

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