Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Schlüsselbundes wurde leiser, verklang.
Joni dachte kurz nach, dann entschied sie sich dafür zu warten. Wenn sie die Schule erreicht hatten - was sie inständig hoffte -, würden sie ja bald von den Mitarbeitern begrüßt werden. Das rüde Benehmen des Fahrers konnte sie dann immer noch zur Sprache bringen.
Doch je länger sie warteten, desto mehr wuchs die Gewissheit, dass niemand kommen würde, um sie abzuholen.
Joni stemmte sich an der Rückenlehne ihres Sitzes hoch und tastete sich zur geöffneten Vordertür. »Hallo?«, rief sie in die Dunkelheit.
Außer den metallischen Geräuschen des sich abkühlenden Busmotors und dem Flattern eines vorbeifliegenden Vogels war nichts zu hören.
Joni wandte sich den Kindern zu, für die sie verantwortlich war. Ihre Nervosität und Erschöpfung waren deutlich zu spüren - die Reise war lang und anstrengend gewesen und hatte nun auch noch ein ungewisses Ende genommen. Einige von ihnen weinten leise.
Um nicht allzu hilflos zu wirken, versammelte Joni alle Betreuer neben dem Fahrersitz. Sie flüsterten wild durcheinander, doch niemand hatte eine Idee, was sie jetzt tun sollten.
»Kein Signal«, erklärte Jonis Handy immer wieder mit unpassend sanfter Stimme.
Einer der Betreuer tastete sich auf der Suche nach dem Funkgerät am Armaturenbrett entlang, konnte es jedoch nirgends finden. Ihm fiel auf, dass der Fahrersitz immer noch warm war.
Ein anderer - ein aufgeweckter Neunzehnjähriger namens Joel - packte schließlich seinen Blindenstock, stolperte beherzt
die Treppe hinunter und verließ den Bus. »Wir sind auf einer Wiese«, rief er nach einer Weile. Und dann: »Hallo! Ist da jemand?«
»Ich verstehe das einfach nicht«, sagte Joni. Auch ihr standen Tränen in den Augen. »Was ist hier nur los?«
»Moment!« Joels Stimme. »Hört ihr das?«
Sie schwiegen, lauschten konzentriert.
»Ja«, sagte ein anderer Betreuer.
Joni hörte nichts außer dem Ruf einer Eule in weiter Entfernung. »Was?«
»Keine Ahnung. Ein … Summen.«
»Was für ein Summen? Ein Motor?«
»Vielleicht. Nein, eher … wie eines dieser Mantras aus dem Yogakurs. Diese heiligen Silben, die man vor sich hin murmelt.«
Joni lauschte wieder. »Also ich höre überhaupt nichts, aber gut. Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder schließen wir uns im Bus ein und warten, bis Hilfe kommt, oder wir lassen die Kinder aussteigen und machen uns auf den Weg.«
Alle plädierten für den zweiten Vorschlag. Sie hatten lange genug im Bus gesessen.
»Vielleicht ist das ein Test oder so etwas«, sagte Joel. »Eine Art Aufnahmeprüfung.«
Joni dachte darüber nach. »Na schön«, sagte sie. »Wenn das ein Test ist, dann werden wir ihn mit Bravour bestehen.«
Nachdem sie die Kinder eines nach dem anderen aus dem Bus geführt hatten, bildeten sie eine Reihe, wobei jeder eine Hand auf die Schulter des Vordermanns legen musste, damit auf dem Weg niemand verloren ging. Einige der Kinder hörten das »Summen« nun ebenfalls und versuchten, es für die anderen nachzuahmen. Auf merkwürdige Weise schien sie das Geräusch zu beruhigen, und so einigten sie sich schnell darauf, dass die Quelle des Summens auch ihr Ziel sein sollte.
Drei Betreuer bildeten die Vorhut. Mit den Stöcken tasteten sie den Boden vor sich ab - er war zwar uneben, doch größtenteils frei von Gesteinsbrocken oder anderen Hindernissen.
Nach einer Weile waren Tierlaute in der Ferne zu hören. Esel, vermutete jemand, aber schon bald war klar, dass es sich um Schweine handelte. Ein Bauernhof? Vielleicht stammte das Summen ja von einem Stromgenerator. Oder es war eine Futtermaschine, die die ganze Nacht hindurch lief.
Sie gingen schneller, bis sie schließlich auf einen niedrigen Holzzaun stießen. Ein Betreuer suchte auf der rechten, ein anderer auf der linken Seite nach einem Durchgang. Als sie ihn gefunden hatten, führten sie die Kinder auf die andere Seite des Zauns. Die Wiese wurde zu festem Lehmboden, das Grunzen der Schweine wurde lauter. Sie waren jetzt offensichtlich auf einem breiten Pfad. Die Betreuer achteten darauf, dass die Kinder die Reihen geschlossen hielten, und so marschierten sie weiter, bis sie zu einem Gebäude kamen. Es schien, als stünden sie vor einem riesigen offenen Tor. Sie riefen erneut, doch wieder kam keine Antwort.
Also traten sie ein. Im Inneren des Gebäudes herrschte eine wahre Kakophonie - die Schweine reagierten auf ihre Anwesenheit mit einem hysterischen Quieken, das den Kindern Angst einjagte; die Tiere
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