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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Boden und begann, an dem Seil herumzusäbeln. »Ich schneide dich los«, flüsterte ich dem gefangenen Zwerg erst auf Spanisch, dann auf Náhuatl zu.
    Als das Seil durchtrennt war, riss ich die Decke weg. Ein Schwein glotzte mir entgegen und quiekte.
    Verdattert sah ich zu, wie es sich aufrappelte und davonlaufen wollte. Ich warf mich auf das Tier, um es mit beiden Armen zu umfassen und an der Flucht zu hindern. Das Schwein stieß schrille Schreie aus, die laut genug waren, um Tote aufzuwecken. Es entwand sich meinem Griff und rannte in den Dschungel. Ich machte mich an die Verfolgung, doch es war zwecklos, es einholen zu wollen.
    Der Radau hatte unwillkommene Besucher angelockt. Der naualli kehrte in Begleitung einiger Männer zurück.
    Ich flüchtete mich in unser Lager.
    Damit ich nicht wegen Schweinediebstahls verhaftet wurde, musste Mateo sein beim Kartenspiel gewonnenes Geld opfern, was meinen Pícaro in üble Laune versetzte. Ich hielt mich den Tag über vom Lager fern, um einen Tritt in den Allerwertesten zu vermeiden.

52
    Da ich sehr neugierig auf meine spanischen Wurzeln war, stellte ich Mateo häufig Fragen über seine Reisen, die Geschichte Spaniens und die Eroberung des Aztekenreiches. Bald wurde mir klar, dass ich mehr über meine Vorfahren wissen musste, um Cortés' Vorgehen verstehen zu können.
    Ich verehrte Doña Marina, das Indiomädchen, das Cortés gerettet hatte, was nicht nur daran lag, dass sie so schmählich im Stich gelassen worden war. Ein weiterer Grund war, dass Bruder Antonio mir oft erzählt hatte, meine Mutter sei wie sie eine Aztekenprinzessin gewesen.
    Von Mateo erfuhr ich viel über Doña Marina und Cortés. Eigentlich fielen diese beiden Namen ständig, vor allem der des großen Eroberers. Doch die beiden waren inzwischen zur Legende geworden wie die Heilige Dreifaltigkeit.
    Ich wusste, dass Tenochtitlán nach der Eroberung dasselbe Schicksal erlitten hatte wie die anderen Städte und Dörfer in Neuspanien: Alles, was auf die Kultur der Indios hinwies, wurde zerstört und die Stadt in Mexiko-Stadt umbenannt. Auch wenn sie immer noch das Herz der Region war, waren die Aztekentempel Kathedralen gewichen.
    Die Azteken hatten erst hundert Jahre, bevor Cortés 1519 an der Küste des östlichen Meeres gelandet war, die Vormachtstellung errungen. Die Geschichte, wie die Spanier fünfundzwanzig Millionen Indios mit nur fünfhundert Soldaten, sechzehn Pferden und vierzehn Kanonen besiegt hatten, war mir wieder und wieder erzählt worden. Doch wenn ein Spanier von der Eroberung berichtet, spart er meist eine wichtige Einzelheit aus: Die Azteken wurden nicht nur von den Soldaten, Pferden und Kanonen der Spanier bezwungen, sondern von einem Bündnis aus Indiostämmen, die Tausende von Kriegern gegen sie aufboten.
    Heute ist Spanien die größte Militärmacht der Welt und beherrscht nicht nur den europäischen Kontinent, sondern ein Reich, über dem die Sonne wirklich niemals untergeht. Christoph Kolumbus hatte den Grundstein zu diesem Reich gelegt, indem er auf dem Weg in das gewaltige Land, das Indien heißt, einen ganzen neuen Kontinent entdeckte. Allerdings interessierten sich Kolumbus und die ihm folgenden Generationen eher für die karibischen Inseln. Sie wussten zwar, dass im Westen jenseits dieser Inseln riesige Landmassen lagen, doch nach der Entdeckung im Jahr 1492 war nur ein geringer Teil davon erforscht worden.
    Einer der Männer, der in die Fußstapfen von Kolumbus trat, hätte eigentlich an der Universität die Rechte studieren sollen, tauschte aber den Federkiel gegen das Schwert.
    Hernán Cortés wurde 1485, sieben Jahre vor Kolumbus' Aufbruch in die Neue Welt, in Medellin in der spanischen Provinz Estremadura geboren. Er wuchs in einer aufgeheizten Atmosphäre auf, denn die frühen Entdecker kehrten mit Geschichten von Ruhm, Abenteuern, Reichtümern und Eroberungen zurück. In Wahrheit waren die karibischen Inseln eher arm, aber es lebten dort viele Indios, die von den Eroberern versklavt wurden.
    Obwohl sich die Verheißungen, in der Neuen Welt sei der Boden mit Gold gepflastert, nicht erfüllt hatten, träumten Cortés und seine Landsleute immer noch davon, weit entfernte Länder zu erobern.
    Also verließ Cortés im Alter von siebzehn Jahren die Universität, und es gelang ihm, sich eine Passage auf einem Schiff zu beschaffen, das in die Neue Welt segelte. Allerdings war das Schicksal - und sein jugendlicher Leichtsinn - nicht auf seiner Seite. Als er eine Steinmauer zu

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