Das Blut der Azteken
Donnergrollen wird das Grab mit Don Juan und dem Geist von der Erde verschluckt.
Nachdem das Theaterstück vorbei war, wollte ich unbedingt zu unserem Lager zurückkehren, um die Darbietung mit Mateo zu erörtern. Aber dieser hatte andere Pläne. Er zwirbelte seinen Schnurrbart und meinte, ich solle schon einmal allein losgehen, da er noch etwas zu erledigen habe. Ich bemerkte, dass sein Blick zur Bühne wanderte, wo die Schauspielerin ihm schöne Augen machte.
Also machte ich mich auf den Weg zum Lager und verzehrte am Feuer meine Bohnen, während Mateo, der Caballero und Schriftsteller, in den Armen einer Schauspielerin in den siebten Himmel entführt wurde. Allerdings hatte meine Niedergeschlagenheit andere Gründe: Das Stück über das empörende Treiben von Don Juan war genau das Buch, das die schöne, dunkelhäutige Eléna an dem Tag, an dem sie mir das Leben rettete, unter dem Sitz in der Kutsche versteckt gehabt hatte.
50
Weder im Lager noch in Puebla begegneten wir dem naualli. Als ich mich bei den anderen Indiohändlern und Wahrsagern umhörte, erfuhr ich, dass man ihn vor einer Woche auf der Straße nach Süden gesehen hatte. Einer der Händler beäugte mich argwöhnisch, als ich mich nach dem naualli erkundigte. Ich erklärte ihm, ich hätte es satt, der Gehilfe des alten Zauberers zu sein, und suchte einen neuen Herrn.
Mateo drängte zum Aufbruch. Er war erst bei Morgengrauen von seinem Stelldichein mit der Schauspielerin zurückgekehrt. Sein Wams wies einen Riss auf, und er hatte eine Beule an der Schläfe.
»Wart Ihr mit einer Horde Wildkatzen im Bett?«, fragte ich.
»Offen gestanden waren wir letzte Nacht wirklich einer zu viel. Der Gatte der Frau erschien in einem ausgesprochen ungünstigen Augenblick.«
Obwohl derartige Zwischenfälle bei einem Pícaro nicht weiter ungewöhnlich waren, spiegelte ich Erstaunen vor. »Ach, du meine Güte. Und was hielt er davon, Euch im Bett mit seiner Frau anzutreffen?«
»Er war tief bestürzt. Allerdings bin ich nicht sicher, ob er noch in der Lage ist, etwas zu empfinden, denn als ich ihn zuletzt sah, blutete er heftig. Wir müssen uns aus dem Staub machen, bevor seine Freunde oder die Polizei dich suchen.«
»Mich? Was habe ich denn getan?«
In gespielter Trauer schüttelte er den Kopf. »Ich habe der Frau geraten, allen zu sagen, ein Mestizenjunge sei in das Zimmer eingebrochen und habe sie vergewaltigen wollen, als ihr Mann ihr zur Hilfe eilte.«
Offenbar saß ich in der Tinte.
Unterwegs machten wir in Dörfern Halt und fragten nach dem naualli. Erst nach drei Tagen hörten wir, dass er sich in der näheren Umgebung herumtrieb. Obwohl Mateo und ich jeden Indio, Mestizen und Spanier anhielten, dem wir begegneten, war es der Zauberer, der es von einem Dorfhäuptling erfuhr.
»Meinem Onkel ist zu Ohren gekommen, dass der naualli in der Gegend ist«, teilte ich Mateo mit. »Er verbringt hier den Großteil seiner Zeit, arbeitet in ein paar kleinen Städten und Dörfern und geht nur fort, wenn irgendwo ein Fest oder ein Markt stattfindet.«
»Weiß er auch etwas über die Jaguarritter?«
»Der Häuptling hat ihm erzählt, die Ritter würden sich erheben und die Spanier aus dem Land der Indios vertreiben. Doch außer diesen Prahlereien gab es nichts Neues.«
Mateo beschloss, vor einem größeren Dorf an einer viel benutzten Straße unser Lager aufzuschlagen. Von dort aus würden wir nach dem naualli Ausschau halten und gleichzeitig versuchen, mehr über ihn und die Ritter ausfindig zu machen.
Im Dorfgasthaus sprach Mateo mit drei spanischen Händlern. Eigentlich war das Gasthaus nicht mehr als ein überdachter Hof mit zwei Tischen. Ich setzte mich in die Nähe auf den Boden, als sich ein Priester zu ihnen gesellte. Ich hörte gern den Gesprächen von Spaniern zu, da ich auf diese Seite meiner Herkunft neugierig war. Ich hatte Karten der Welt gesehen und wusste, dass Spanien nur ein Land von vielen war. Allerdings beherrschte Spanien den Großteil von Europa und war die bedeutendste Weltmacht.
Bald stellte ich fest, dass sich die Unterhaltung um merkwürdige Begebenheiten drehte.
»Immer öfter hört man, dass Menschen verschwinden«, meinte ein Kaufmann. »Ein Haciendabesitzer ist ausgeritten, um nach einem Zaun zu sehen, und nie zurückgekehrt. Sein Pferd kam ohne ihn wieder. Und obwohl man nach ihm suchte, wurde seine Leiche nie gefunden. Seltsam ist außerdem, dass nach seinem Verschwinden einige seiner Indios davongelaufen sind. Der Aufseher
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