Das Blut der Azteken
meisten Vorschläge bestanden darin, alle Spanier im Land zu töten. Dass der großzügige Wirt ebenfalls Spanier war, schien niemanden zu stören.
Mehr pulque machte die Runde, und jemand rief, man brauchte einen König und Anführer. Ein Bewerber nach dem anderen wurde lautstark verworfen, bis ein Mann aufstand und sagte, sein Name sei Yanga. Es war nicht der Yanga, den ich kannte, und einer unserer Spitzel flüsterte mir zu: »Er heißt Allonzo; sein Besitzer ist Goldschmied.«
Allerdings verfehlte der Name seine Wirkung nicht, und der Mann wurde rasch zum ›König von Neuafrika‹ ausgerufen. Seine Frau Belonia wurde einstimmig zur Königin ernannt.
Danach tranken alle munter weiter.
Niemand schmiedete Pläne, Waffen zu besorgen, Soldaten zu rekrutieren oder jemanden umzubringen.
Wir öffneten das letzte Fass pulque und zogen uns zurück, damit die Sklaven weiter kostenlos feiern konnten. So verfuhren wir in drei weiteren Nächten, ohne dass von einem Aufstand die Rede gewesen wäre. Wir fanden nichts weiter heraus, als dass die Sklaven sich mit ihrem Schicksal abgefunden hatten.
»Kneipengeschwätz«, sagte Mateo angewidert. »Mehr ist nicht dabei. Der Don hatte Recht. Sie sind wütend über den Tod des Mädchens und die Ungerechtigkeiten, die sie erdulden müssen, doch das reicht nicht, um sie zum Aufstand aufzustacheln. Diese Sklaven werden gut verpflegt, brauchen nicht hart zu arbeiten und schlafen in bequemeren Betten als die, welche Isabella uns zur Verfügung stellt. Im Gegensatz zu ihren Brüdern und Schwestern auf den Plantagen müssen sie nicht hungern und sich zu Tode schuften. Pah! Der Ehemann einer Freundin wollte die Nacht in Guadalajara verbringen. Eine wundervolle Frau! Und ich habe auf eine traumhafte Nacht verzichtet, um Alkohol an Sklaven auszuschenken.«
Als Don Julio am nächsten Tag von der Inspektion des Tunnels zurückkehrte, erstatteten Mateo und ich ihm Bericht.
»Gerede, genau das habe ich mir gedacht. Ich werde dem Vizekönig sofort Meldung machen. Sicher wird er erleichtert sein.«
Der Don hatte keinen weiteren Auftrag für uns. Ich hatte Mateo vorgeschlagen, dass wir unbedingt etwas Geld verdienen müssten, um wie feine Herren leben zu können, anstatt das Dasein von Stallburschen zu fristen. Er hatte erwidert, er werde sich etwas überlegen. Und bald stellte ich fest, dass er nicht müßig gewesen war.
»Der Vertreter der Recontonería ist bereit, uns Geld für die Einfuhr verbotener Bücher vorzustrecken, je schmutziger, desto besser. Ich habe aus der Zeit, als ich noch ein berühmter Dramatiker war, Verbindungsleute in Sevilla. Also wäre es ein Leichtes für mich, den Ankauf und die Verschiffung in Spanien zu arrangieren und dafür zu sorgen, dass die Ware nicht in Veracruz dem Zoll in die Hände fällt. Die Recontonería ist auch dort im Geschäft und wird mir die Namen der Leute nennen, die einen Anteil bekommen.«
»Und was kriegt die Recontonería dafür?«
»Unsere Köpfe, wenn wir sie betrügen. Sie haben ihre eigene Version vom königlichen Fünften - für fünf Peso, die wir einnehmen, erhalten sie einen.«
»Haben wir Konkurrenz?«
»Es gab mal einen Händler, aber um den brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen.«
»Warum hat er das Geschäft aufgegeben?«
»Die Inquisition hat ihn vor einer Woche in Puebla verbrannt.«
Als ich an jenem Abend zu Bett ging, erschien mir die Zukunft rosig. Don Julio war mit unseren Ermittlungen in Sachen Sklavenrevolte zufrieden. Mateo hatte einen Plan, wie wir genug Geld für Pferde und Kleider verdienen konnten, um uns auf der Alameda zu zeigen. Und ich beabsichtigte, durch den Schmuggel von verbotenen Büchern der reichste Mann in Neuspanien zu werden und die schönste Frau der Kolonie zu heiraten.
Allerdings sind es nicht wir Sterblichen, die die Geschicke unseres kläglichen Lebens lenken. Die dunklen Schwestern, nicht wir, weben den Mantel unseres Schicksals.
17
Spät in der Nacht wurde ich von Tumult auf der Straße und im Haus geweckt und nahm sofort an, dass wir angegriffen worden waren. Don Julio war zum Tunnel zurückgekehrt und hatte Mateo mitgenommen, weshalb ich nun der Herr im Hause war - wenigstens dem Namen nach, da Isabella mir nur selten Zutritt zu den Wohnräumen gewährte.
Ich griff nach meinem Schwert. Isabella, Inez, Juana und die Dienerschaft drängten sich ängstlich zusammen.
»Die Sklaven rebellieren!«, rief Isabella. »Alle fliehen in den Palast des Vizekönigs, um dort Schutz zu
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