Das Blut der Azteken
dass du für sie stehlen und morden würdest.« Er pustete mir übel riechenden Rauch ins Gesicht. »Bei mir kommt so etwas häufiger vor.«
Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass die Inquisition die Druckerei beschlagnahmt und Juan, den lépero, verhaftet hatte. Da er meinen wirklichen Namen nicht kannte, war er nicht in der Lage, mir die Bluthunde der Inquisition auf den Hals zu hetzen. Und wegen seines Unwissens würde man ihn auch nicht wegen Gotteslästerung verbrennen.
Aber Mateos und meine Theaterkarriere war damit über Nacht zu Ende. Wir mussten uns aus dem Buchhandel zurückziehen, hatten kein Geld mehr und wurden von der Inquisition nicht länger mit Druckarbeiten beauftragt.
Unsere Stimmung wurde noch trüber, als ein heftiger Dauerregen begann und der Wasserspiegel des Sees Texcoco immer weiter anstieg. Wir machten uns Sorgen um Don Julio, der unsere Hilfe plötzlich bitter nötig zu haben schien.
23
Weil Don Julio von den Arbeiten am Tunnel in Anspruch genommen war, ahnte er nichts von unserem Treiben und wusste nur, dass Mateo eine Rolle in einem Theaterstück ergattert hatte. Isabella weigerte sich, zur Aufführung zu kommen, da sie es als Herabsetzung empfand, sich ein Stück anzusehen, in dem einer ihrer ›Diener‹ auftrat.
Don Julios mangelndes Interesse an unseren Unternehmungen war ziemlich ungewöhnlich, da er ansonsten sehr darauf achtete, dass wir uns keinen Ärger einhandelten. Doch nun galt sein Augenmerk nur noch dem Tunnel, was uns besorgte, denn es wies darauf hin, dass offenbar etwas im Argen lag. Auf der Straße schnappten wir Gerüchte auf, mit dem Tunnel gäbe es weiterhin Schwierigkeiten.
Nach einer Weile rief der Don Mateo und mich in die Bibliothek seines Stadthauses.
»Du musst dich wieder als lépero ausgeben«, meinte er zu mir, »und für mich und den König Augen und Ohren offen halten.«
Diesmal ging es um Überfälle auf die Silbertransporte. Die Bergwerke lagen etwa fünfhundert Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt in Zacatecas. Obwohl ich noch nie eine Silbermine gesehen hatte, wusste ich einiges über den Bergbau. Mateo pflegte zu sagen, dass ich wie Don Julio mehr für die Gelehrsamkeit als für Frauen übrig hatte, und in seiner Behauptung lag ein Quäntchen Wahrheit. Die Bibliothek des Don enthielt einige Werke über den Bergbau, zu denen auch ein kurzer geschichtlicher Abriss gehörte. Ich hatte alles gelesen, was es zu diesem Thema gab. Und obwohl ich eigentlich einen Silberdieb und keinen Bergwerksbesitzer jagen sollte, überredete ich den Don, sich die Zeit zu nehmen, um mir noch mehr darüber zu erklären.
Im Jahr 1546 hatte Juan de Tolosa einen Berg mit unvorstellbaren Silbervorkommen entdeckt. Der Berg hieß La Bufa und befand sich in Zacatecas auf dem Gebiet der Chichimeken. Durch diesen Fund und die vielen, die darauf folgten, wurde Neuspanien zum Land mit den größten Silbervorkommen der Welt.
Bei einigen galt Zacatecas als die zweitwichtigste Stadt Neuspaniens, deren Ruhm nur von dem Mexikos übertroffen wurde. Don Julio allerdings verglich Zacatecas mit einem Heringsfass - wenn die letzte Silberader abgebaut war, würde es die Stadt nicht mehr geben. Der Don erzählte mir, er kenne einen Maultiertreiber, der es bis zum Grafen gebracht habe. »Mit dem durch die Maultierkarawanen verdienten Geld hat er sich ein Bergwerk gekauft, das wegen Überflutung bereits aufgegeben worden war. Niemand wusste, wie man das Wasser ableiten sollte. Er bat mich um Hilfe, aber da ich alle Hände voll zu tun hatte, um Mexiko-Stadt vor einer Überschwemmung zu bewahren, konnte ich die Zeit nicht erübrigen. Dennoch gelang es ihm und einem Freund, einen Tunnel zu graben, sodass das Wasser abfloss. Er wurde so reich, dass er am Hochzeitstag seiner Tochter den Weg zwischen seinem Haus und der Kirche mit Silber pflastern konnte.
In einem Land namens China wird eine große Mauer gebaut, die Hunderte von Kilometern lang ist, um die Barbaren aus dem Norden abzuwehren. Angeblich finanziert der Kaiser von China die Bauarbeiten mit Silber aus Neuspanien, das er aus dem Verkauf von Seide erhalten hat.«
Ich wusste, wo China lag, denn der Don besaß auch eine Ausgabe der Reiseberichte von Marco Polo. Christoph Kolumbus, der eigentlich nach China hatte segeln wollen, hatte Marco Polos Buch auf seine Fahrt mitgenommen.
Das Silber diente nicht nur dazu, sich Adelstitel zu erkaufen.
Mit dem Fünften, der dem König zustand, wurden auch die ständigen Kriege finanziert, die das
Weitere Kostenlose Bücher