Das Blut der Azteken
die Hütte. Der Bauer war ein dickes, dümmlich wirkendes Halbblut mit einem von zu viel pulque und Tortillas angeschwollenen Wanst. Ich sah zu, wie er vor der Hütte Holz hackte. Bald kam seine Frau heraus. Sie war eine reinblütige Indianerin, zierlich, jung und hübsch. Kinder konnte ich nicht entdecken. Als die Frau aus der Hütte trat, schimpfte der Mestize, sie habe nicht genug Brennholz von den Hügeln geholt. Sein Tonfall war genauso dummdreist wie sein Gesichtsausdruck. Sie ließ die Standpauke wie die meisten Indigenas mit stumpfem Schweigen über sich ergehen. Das Leben war hart, und wer einem körperlich überlegenen Ehemann widersprach, handelte sich nur Schwierigkeiten ein.
Obwohl der Mais noch nicht ganz reif war, nahm ich mir einige Kolben und versteckte mich damit in einer Höhle, die der Fluss in die Felsen gegraben hatte. Dort schälte ich die Kolben und verschlang die rohen Kerne.
Ich blieb in der Höhle, bis die Sonne hoch am Himmel stand, und legte mich dann auf einen flachen Stein, um mich zu wärmen. Als ich endlich nicht mehr fror, zog ich meine Lumpen aus, um im Fluss zu baden.
Das Wasser war zwar kalt, doch ich hatte mich so lange nicht gewaschen, dass selbst die Reise den Wasserfall hinunter nicht genügt hatte, um mich zu säubern.
Am Ufer fand ich einen trockenen Ast, der sich als Speer gebrauchen ließ. Ich spitzte ihn mit einem scharfen Stein zu, stellte mich an den Rand eines kleinen, klaren Tümpels und versuchte, einen Fisch aufzuspießen. Nach einer halben Ewigkeit erwischte ich endlich einen etwa dreißig Zentimeter langen Gründler mit Zotteln und Glubschaugen. Ich verspeiste ihn roh mit Haut und Schuppen und schlief dann vor Erschöpfung wieder ein.
Nach dem Bad hatte ich mich nicht angezogen, sondern versucht, meine Sachen zu waschen. Doch als ich die Kleider auf den Felsen ausschlug und sie dann auswrang, zerrissen sie nur noch weiter, bis ich es schließlich aufgab. Ich breitete sie zum Trocken auf die Felsen und legte mich anschließend nackt in die Sonne, um ein wenig zu dösen.
Als ich aufwachte, fühlte ich mich merkwürdig und konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ich beobachtet wurde. Da ich nichts sah oder hörte, war der Grund vielleicht die ständige Angst, die schon so lange meine Begleiterin war. Dennoch war mir nicht wohl in meiner Haut. Gerade waren einige Vögel plötzlich aufgeflogen, und ich fragte mich, was sie wohl erschreckt haben mochte. Weil ich nicht durch eine unvermittelte Bewegung den Argwohn des Beobachters wecken wollte, richtete ich mich langsam auf.
Zunächst bemerkte ich sie nicht, da sie sich im Gebüsch am gegenüberliegenden Ufer versteckte. Wie lange sie mich schon anstarrte, wusste ich nicht. Obwohl ich noch nackt war, sparte ich mir die Mühe, mich zu bedecken. Schließlich hatte sie bis jetzt ja auch keinen Anstoß daran genommen.
Als unsere Blicke sich trafen, rechnete ich damit, dass sie wie ein aufgescheuchtes Reh die Flucht ergreifen würde. Stattdessen kauerte sie weiter im Gebüsch, sah mich an und musterte mich so gleichmütig, als wäre ich ein Käfer auf einem Felsen gewesen.
»Hallo«, begrüßte ich sie, zuerst auf Náhuatl, dann auf Spanisch. Sie schwieg. Als Bewohnerin eines Landstrichs, der von Bergwerken strotzte, wusste sie ganz sicher, wie ein entflohener Bergwerkssklave aussah. Doch etwas sagte mir, dass sie mich nicht um einer Belohung willen verraten würde.
Ich rieb mir den Magen. »Ich habe Hunger«, meinte ich auf Náhuatl.
Wieder starrte sie mich wortlos und stumpf an. Dann stand sie auf und ging fort.
Ich überlegte, ob ich meine Lumpen nehmen und davonlaufen sollte. Oder sollte ich einen Stein packen, sie verfolgen und ihr den Schädel zertrümmern, damit sie keinen Alarm schlug? Doch beide Möglichkeiten kamen nicht infrage. In meinem geschwächten Zustand wäre ich nicht weit gekommen, und außerdem wäre es ihr sicher gelungen, sich gegen mich zur Wehr zu setzen.
Ich hatte keine Kraft mehr und brauchte Ruhe. Also legte ich mich auf einen flachen Stein, schlief wieder ein und wärmte mich in der Sonne. Als ich am Mittag aufwachte, war ich immer noch müde, und ich fürchtete schon, dass das für immer so bleiben könnte. Noch schlimmer waren die Schmerzen, die von meinem ganzen Körper Besitz ergriffen hatten und sich anfühlten wie eine einzige große Wunde.
Ich rutschte vom Felsen hinunter. Da ich nicht aufstehen konnte, kroch ich zum Wasser, um etwas zu trinken. Am Ufer angekommen
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