Das Blut der Azteken
überquerten die Brücke und ritten in die Stadt. Obwohl ich mir alle Mühe gab, nur an das Münzamt zu denken, stiegen immer wieder Erinnerungen in mir hoch. Wäre ich Menschen aus meiner Vergangenheit - Eléna, Luis, de Alva oder sogar Isabella - begegnet, ich weiß nicht, ob es mir gelungen wäre, die Ruhe zu bewahren.
Steifen Schrittes, als hätte er einen Stock verschluckt, betrat Mateo das Münzamt.
Ich schlurfte hinter ihm her, als wäre ich zu dumm und zu faul, die Füße richtig anzuheben. In der Hand hatte ich seine kalbslederne Tasche, die die Ermächtigungsschreiben und seine Anweisungen enthielt.
Bald stellte sich heraus, dass der Leiter des Münzamtes nicht im Haus war. Er hielt sich in Zacatecas auf, um das Verladen und den Transport der Silberbarren zu überwachen.
Sein Stellvertreter begrüßte uns argwöhnisch.
»Erst vor fünf Jahren haben wir eine unangekündigte Überprüfung über uns ergehen lassen müssen«, jammerte er. »Anschließend wurden an den Indischen Rat nichts als Unwahrheiten über unsere Arbeitsweise weitergeleitet. Wir betreiben das leistungsfähigste Münzamt im Spanischen Reich, und zwar zu den geringsten Kosten.«
Mateo gab sich ungeduldig und herablassend. »Ob Euer Betrieb zufrieden stellende Leistungen erbringt, werden wir noch sehen. Wir wissen aus zuverlässiger Quelle, dass Unregelmäßigkeiten beim Prägevorgang stattgefunden haben und dass es die Regel ist, von allen Münzen Silber abzuzweigen.«
Der arme Mann bekam fast einen Herzanfall. »Lügen, nichts als Lügen! Unsere Münzen sind Kunstwerke. Unsere Barren haben das richtige Gewicht!«
Von Barren verstand ich nichts, doch die goldenen und silbernen Münzen sahen für mich, den geldgierigen lépero, wirklich wie Kunstwerke aus.
Wir hatten die Füße des echten Münzinspektors eine Weile ins Feuer gehalten, und schließlich hatte er uns einige Einzelheiten über die Arbeitsabläufe im Münzamt verraten.
Eigentlich war es dem Münzamt nur gestattet, silberne Reales und Maravedíes aus Kupfer zu prägen. Doch es war allgemein bekannt, dass man gelegentlich auch Gold verarbeitete.
Wie alle anderen Regierungsposten wurde auch der des Leiters der Casa de Moneda beim König gekauft. Die Bezüge des Posteninhabers setzten sich aus den Gebühren für die Münzprüfungen und das Prägen zusammen - allerdings besserte er sein Gehalt zusätzlich durch Betrügereien auf.
Der Inspektor hatte uns auch anvertraut, wonach er suchte: Rückstände von Gold, die darauf hinwiesen, dass dieses Metall verbotenerweise im Münzamt verarbeitet wurde, obwohl der König das alleinige Recht dazu den Münzämtern in Spanien gewährt hatte; weiterhin wollte er herausfinden, ob die Münzen in einem Stoffbeutel geschüttelt wurden, um winzige Mengen von Silber abzustoßen. Das Gewicht des dabei verlorenen Silberstaubs war so gering, dass es beim Wiegen nicht auffiel. Wenn man jedoch mit Zehntausenden von Münzen so verfuhr, kam eine beachtliche Menge dabei zusammen.
Noch ernsthaftere Verstöße waren der Einsatz von falsch eingestellten Waagen und die heimlichen Absprachen, die zu geringeren Gewichtsangaben führten - und das wiederum bedeutete, dass für den König weniger Steuern abfielen.
Als erfahrene Verbrecher waren Mateo und ich besser dafür geeignet, Betrügereien aufzudecken, als ein Bürokrat und Münzinspektor. Mit ein wenig mehr Zeit wären wir den Bediensteten des Münzamtes gewiss auf die Schliche gekommen, doch es war ja nicht unsere Aufgabe, ihre unlauteren Machenschaften zu enttarnen; schließlich hatten wir ganz andere Pläne. Unser besonderes Augenmerk galt den Sicherheitsvorkehrungen im Gebäude und dem Aufbewahrungsort der Münzen.
Das Münzamt war uneinnehmbarer als eine Burg und hatte sechzig Zentimeter dicke Mauern. Im Erdgeschoss gab es keine Fenster, die Fenster im ersten Stock waren vergittert. Die Fußböden bestanden in allen Etagen aus Holz. Das Gebäude besaß nur einen einzigen Eingang mit einer gut dreißig Zentimeter dicken Tür an der Vorderseite. Keine weiteren Häuser grenzten an das Münzamt an. Nachts schliefen zwei Wachleute vor Ort, und jeder, der hinauswollte, wurde zuvor durchsucht.
Silber und Gold wurden in Barren auf eisernen Regalen und schweren Eisentischen gestapelt. Es lag einfach so herum und wartete nur darauf, weggeschafft zu werden - sofern der Betreffende in der Lage war, durch Wände zu gehen.
Es gab nur zwei Möglichkeiten, nachts die Sicherheitsmaßnahmen zu durchbrechen:
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