Das Blut der Azteken
zeigte natürlich keine Lust, sich kurz zu fassen, sondern war anscheinend fest entschlossen, die Gunst des Publikums zu erringen. Während er auf der Bühne hin und her stolzierte, war ihm die Kapuze verrutscht, sodass sein Gesicht nun deutlich zu sehen war.
Der Inspektor hatte viele Tage mit uns verbracht. Wir waren nicht verkleidet gewesen, und jetzt stand Mateo mit unverhülltem Gesicht vor ihm. Das Herz klopfte mir bis zum Halse, und ich wurde von Panik ergriffen. Ich durfte nicht fliehen, ohne meine Freunde zu warnen. Doch jedes Mal, wenn ich seinen Namen zischte, wurde meine Stimme von Explosionen übertönt. Außerdem hätte ich das Schwarzp ulver vermutlich unter seinen Füßen anzünden müssen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er ging derart in seiner Rolle, als Stimme Gottes auf, dass er nichts um sich herum wahrnahm.
Ich warf einen raschen Blick auf den Inspektor, um festzustellen, ob er schon aufgesprungen war und mit dem Finger auf Mateo zeigte. Aber zu meiner Verwunderung saß der Mann seelenruhig da und starrte auf die Bühne, als ob alles in bester Ordnung gewesen wäre. Vielleicht bestand ja wirklich kein Grund zur Besorgnis - zumindest in seinen Augen, denn schließlich war der Mann blind wie ein Maulwurf. Ich beobachtete ihn. Nichts in seiner Miene verriet, dass er Verdacht geschöpft hatte. Er betrachtete gleichmütig die Bühne und wandte hin und wieder den Kopf, um Mateo hin und her gehen zu sehen.
Aber was war, wenn der Diener sich ebenfalls unter den Zuschauern befand? Der Mann hatte gute Augen.
Und wer sonst im Publikum würde den Pícaro wieder erkennen, der eigentlich in Manila in der Verbannung hätte schmoren sollen - wenn er nicht schon längst tot war?
Ich rannte zu der Tunnelöffnung. Enrique, mein Gehilfe, erwartete mich. Wir hatten einen Eimer an einem Seil befestigt, um das Wasser abzuschöpfen, damit ich nicht ertrank, wenn ich zu langsam vorankam.
Ich griff nach einer Eisenstange und einem Haken und kroch in das Loch. Der Tunnel war bereits voller Wasser. Rasch wand ich mich hindurch und in die dunkle Nische auf der anderen Seite. Obwohl ich nichts sehen konnte, ertastete ich sofort, wo die Dielenbretter zusammengefügt waren. Immer wenn es auf der Bühne krachte, setzte ich das Stemmeisen an und hatte so rasch eine Lücke im Boden freigebrochen, durch die ich mich in den Raum zwängen konnte. Von innen klangen die Explosionen erstaunlich gedämpft.
Mit Stahl, Feuerstein und einem kleinen Fläschchen Öl entfachte ich eine Flamme und zündete damit die Kerzen im Raum an. Von unserem Besuch wusste ich, wie dick die Wände waren. Wenn der Leiter des Münzamtes abends nach Hause ging, verschloss und verriegelte er die Tür, damit die Wachen den Raum während der Nacht nicht betraten. Also konnte ich Licht machen und umhergehen, ohne befürchten zu müssen, die Wachen aufzuschrecken, die sich gewiss an den Fenstern im Obergeschoss das Stück ansahen.
Mit einem Seil holte ich den schweren Ledersack voller leerer Beutel herauf, den Enrique an einem Haken befestigt hatte. Ich füllte die Beutel mit Goldmünzen, weil diese um einiges wertvoller waren als Silber. Wenn ein Beutel voll war, ließ ich ihn in das Loch gleiten und plätscherte im Wasser, das Zeichen für Enrique, die Beute entgegenzunehmen. Nachdem ich fünf Beutel Gold hinuntergelassen hatte, wandte ich mich dem Silber zu und packte weitere sechs Beutel mit Münzen und Barren voll.
Ich bemerkte eine schwarze Metallkassette, in deren Schloss noch der Schlüssel steckte. Als ich den Deckel öffnete, verschlug es mir den Atem. Die Kassette strotzte von Juwelen, Diamanten, Rubinen und Perlen. Ein Stück Papier listete die Wertgegenstände auf und nannte auch den Namen des Besitzers: die Heilige Inquisition. Außerdem waren die Namen der früheren Eigentümer aufgeführt, alles Menschen, die von der Inquisition angeklagt und verurteilt worden waren und deren Vermögen man beschlagnahmt hatte.
Ich schloss die Kassette ab, steckte den Schlüssel ein und verstaute sie im letzten Beutel. Nachdem der Beutel durchgereicht war, legte ich mich auf den Bauch, um durch den Tunnel zurückzukriechen. Inzwischen war das Loch bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Als ich mich an den Abstieg machte, stellte ich fest, dass etwas im Argen lag: Von der anderen Seite wurden Erde und Steine in das Loch gestopft.
Wir hatten geplant, den Tunnel nach Abschluss der Arbeiten wieder zuzuschütten, damit er jemandem, der vielleicht hinter die
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