Das Blut der Azteken
Dienstboten?«
»Eure mangelnde Arroganz. Habt Ihr gesehen, wie Mateo ein Zimmer betritt? Und wenn es der prächtigste Salon ist, tut er dennoch, als wäre es ein Schweinestall, in dem er befürchten muss, sich die Stiefel zu beschmutzen. Ihr hingegen habt Euch beim Hereinkommen bewundernd umgeschaut.«
»Mateo braucht den Herrn nicht zu spielen, er wurde so geboren.«
»Mateo? Der Pícaro? Ein Herr?«
Sie hielt sich den chinesischen Fächer vors Gesicht, und ihre Augen verrieten mir, dass sie sich verplappert hatte. Da Doña Ana keine Frau war, die man aushorchen konnte, ließ ich es dabei bewenden. Mir wurde plötzlich klar, dass ich nicht das Geringste über Mateos Herkunft und seine Familie wusste - ich kannte nicht einmal seinen Geburtsort.
Allerdings war mir inzwischen klar, dass Doña Ana und Mateo eine gemeinsame Vergangenheit hatten.
»Als junges Mädchen seid Ihr mit dem Autor einer Theatertruppe durchgebrannt. Nenne ich diesen Mann meinen Freund?«
Anstelle einer Antwort lächelte sie.
»Doña, was kann ich für Euch tun, wenn Ihr mir Unterricht darin gebt, wie man ein feiner Herr wird?«
Wieder befächelte sie sich das Gesicht.
Dann stand sie von ihrem Stuhl auf und setzte sich neben mich auf das kleine Sofa. Ihre Hand glitt zwischen meine Beine.
»Er lässt dich umbringen, wenn er herausfindet, dass du mein Liebhaber bist. Doch durch die Gefahr wird die Liebe noch viel aufregender, findest du nicht?«
Mateo hatte mich vor ihrer Anziehungskraft gewarnt - und auch vor der Eifersucht des Grafen. Aber ich muss zugeben, dass ich zu schwach bin, um den Reizen einer Frau zu widerstehen.
13
Und so geschah es, dass aus einem Landei ein spanischer Herr wurde.
Am meisten störte mich an diesem Arrangement, dass ich mich als Liebhaber von Männern ausgeben musste, um nicht den Argwohn von Anas Grafen zu wecken. Um mich für diese Rolle auszustaffieren, entschieden wir uns -nach einiger Auseinandersetzung - für ein übertrieben elegantes gelbes Hemd und ein Wams in einem, wie Ana es nannte, aufreizenden Rosa. »Der jüngere Bruder des Grafen liebt ebenfalls Männer«, erklärte mir Ana. »Und er kleidet sich so. Also wird der Graf keinen Verdacht schöpfen.«
Als Gegenleistung für meine Einwilligung, den Gecken zu mimen, gewährte mir Ana sehr häufig ihre Gunst. Außerdem durfte ich mich den ausschweifenden Lustbarkeiten anschließen, denen man in Sevillas Schauspielerkreisen frönte. Nach einer Premierenfeier wurde mir endgültig klar, warum die Kirche Schauspielern ein Begräbnis in geweihter Erde verweigerte. Weiterhin wurden mir bei diesen Festlichkeiten die Unterschiede zwischen Spanien und Neuspanien klarer als je zuvor vor Augen geführt. Veranstaltungen wie diese wären in Mexiko-Stadt undenkbar gewesen.
Ich wollte am Theaterleben teilhaben, und Ana war gerne bereit, mich in ihr Milieu einzuführen. Obwohl sie selbst nicht mehr auftrat, hatte sie noch Umgang mit Schauspielern und eine klare Meinung, was ihre Fähigkeiten betraf. Manchmal war sie schlimmer als die Rüpel im Publikum.
Die erste Aufführung, zu der sie mich mitnahm, öffnete mir die Augen. Wir fuhren in Anas Kutsche hin und nahmen ihre Freundin Felicia mit, die ein paar Jahre jünger als Ana und fast ebenso anziehend war. Zu meiner Verwunderung trugen die beiden Frauen Masken. Außerdem hatten sie sich als Männer verkleidet, und zwar nicht als Caballeros, sondern als gewöhnliche Arbeiter.
»Wenn es sich nicht um ein religiöses Stück handelt, tragen Frauen Masken«, erklärte mir Ana.
»Damit niemand sie erkennt?«
»Nein, ihre Freundinnen sollen sie ruhig erkennen. Es ist eine Frage des Anstandes. Eine adelige Dame darf von niemandem in einem Theater gesehen werden - nur von anderen adeligen Damen.«
»Oh.« Ich verstand kein Wort. Offenbar war es ein weiteres weibliches Geheimnis, von dem ich nichts ahnte. »Und die Männersachen? Verkleiden sich die Frauen in Sevilla immer als Männer, wenn sie ins Theater gehen?«
»Natürlich nicht. Der Zweck der Maskerade ist, dass wir uns öffentlich zu dem Stück äußern können«, erwiderte Felicia.
Wieder begriff ich nicht, warum Männerkleidung es Ana und Felicia ermöglichte, Kritik an dem Stück zu üben. Doch als sie mit Tüten voller Tomaten aus der Kutsche stiegen, wuchs in mir der Verdacht, dass hinter der Kostümierung mehr stecken musste. Dieser bestätigte sich, als sie mich baten, Karten fürs Parkett zu kaufen.
»Wir sollen im Parkett stehen?«, erwiderte ich
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