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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gehörte für immer einer anderen. Aber ich begehrte sie so sehr, dass ich es nicht in Worte fassen konnte. Mir war klar, warum sie die Geliebte eines Grafen war. Trotz ihrer bescheidenen Herkunft hatte sie nichts Gewöhnliches an sich, und sie legte die Regeln unseres Umgangs schon bei unserer ersten Begegnung unmissverständlich fest.
    »Mateo sagte mir, dass Ihr ein Provinzler aus den Kolonien seid und bislang nur das ungehobelte Neuspanien kennt. Wir erleben diese Tölpel hier täglich. Die Taschen voller Gold verlassen sie das Schiff und glauben, ihr neu erworbener
    Reichtum wäre ein Ersatz für gute Erziehung. Aber sie treffen nur auf Hohn, Spott und unverhohlene Verachtung.«
    »Und wie wird man kultiviert?«
    »Ein Herr ist jemand, der denkt wie ein Herr.«
    Ich fühlte mich an den Zauberer erinnert. Konnte sie riechen, dass ich kein Herr war?
    »Ihr tragt die Kleider eines Edelmanns. Obwohl Ihr nicht sonderlich gut ausseht, verleiht die Narbe, die von Euren Kämpfen gegen die Piraten stammt, Eurem Gesicht eine gewisse Kühnheit. Doch ohne Eure Kleider würde jeder wissen, dass Ihr kein Herr seid.«
    Ich hatte mir eine romantische Geschichte ausgedacht - ein Duell wegen einer reizenden Dame. Aber Mateo gefiel sie nicht, da andere Männer sie als Herausforderung hätten verstehen können, was für einen unbegabten Schwertkämpfer wie mich das Todesurteil bedeutet hätte. Eine Schlacht mit den Piraten hingegen klang verwegen, ohne die Männlichkeit anderer infrage zu stellen.
    Mein Gesicht mit der Narbe war mir fremd. Ich hatte einen Vollbart getragen, seit mir der erste Flaum gewachsen war, konnte mich allerdings nicht länger damit tarnen, da ich die meisten Sünden als Bartträger begangen hatte. Außerdem war es inzwischen unnötig, das Brandzeichen zu verstecken, denn schließlich hatte Mateo es so geschickt - und schmerzhaft - entfernt. Deshalb blickte mir aus dem Spiegel nun ein glatt rasierter Unbekannter mit einer auffälligen Narbe entgegen.
    In Neuspanien war langes Haar Mode, während die Männer im Mutterland es schon seit einigen Jahren kurz trugen; das kurze Haar verstärkte mein Gefühl der Fremdheit noch, und ich war überzeugt, dass ich durch den Kerker der Inquisition in Neuspanien hätte schlendern können, ohne dass jemand mich erkannt hätte.
    »Welches Mittel gibt es gegen eine ungebildete Seele, Doña Ana?«, fragte ich sie.
    »Bei Euch ist alles vergebens. Seht Euch Eure Hände an. Sie sind rau und schwielig, nicht zart und weich wie die eines richtigen Herrn. Vermutlich sind Eure Füße sogar noch verhornter als Eure Hände. Von Euren Armen und Eurer Brust ganz zu schweigen. Solche unschönen Muskeln haben nur gewöhnliche Arbeiter. Ein Teil davon lässt sich durch Eure Vergangenheit als Soldat erklären, aber Ihr habt einfach zu viele Makel.«
    »Was mache ich denn sonst noch falsch?«
    »Alles! Euch fehlt die gleichmütige Hochnäsigkeit eines Mannes, der sich nie um etwas bemühen musste. Ihr blickt nicht auf die unteren Schichten herab, denen Gott die Gnade der hohen Geburt versagt hat. Gott weist jedem seinen Platz im Leben zu. Die oberen Schichten sind dazu geboren zu befehlen, die einfachen Leute sind zum Dienen bestimmt. Euer offensichtlichster Fehler ist, dass Ihr den Herrn nur spielt. Doch es ist keine Rolle. Ihr müsst auch so denken. Wenn Ihr Euch nur als Edelmann ausgebt, wird Euer wahres Ich immer wieder hervortreten, und Eure Mitmenschen werden Euch durchschauen.«
    »Nennt diesem Tölpel einen Fehler, den er begangen hat«, forderte ich erzürnt. »Erklärt mir, was ich getan habe, dass Ihr es wagt, mich als derb und ungebildet zu bezeichnen.«
    Sie seufzte auf. »Cristo, wo soll ich bloß anfangen? Gerade eben hat mein Dienstmädchen Euch eine Tasse Kaffee gebracht.«
    Ich zuckte die Achseln. »Na und? Habe ich den Kaffee etwa verschüttet? Oder ihn mit dem Finger umgerührt?«
    »Ihr habt Euch bei ihr bedankt.«
    »Nein, ich habe kein Wort mit ihr gewechselt.«
    »Ihr habt Euch mit einem Blick und einem Lächeln bedankt.«
    »Was soll dieser Unsinn?«
    »Ein Mann von hoher Geburt würde einen Dienstboten gar nicht wahrnehmen. Kein richtiger Herr würde ein Dienstmädchen auch nur eines Blickes würdigen - außer er hätte Lust, mit ihr ins Bett zu steigen. Dann würde er sie lüstern anglotzen und vielleicht eine Bemerkung über ihre weiblichen Rundungen machen.«
    »Und was stimmt sonst nicht mit mir, abgesehen von meiner Höflichkeit gegenüber

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