Das Blut der Azteken
zweite Beutel gehört ebenfalls dir, wenn du mir sagst, was ich wissen will.«
Ihr Verstand arbeitete wie der eines geistig trägen Hundes, der aber scharfe Zähne hat. Und ihre erste Reaktion war, diese Zähne zu fletschen. Erst danach war sie in der Lage, die Situation vernünftig zu überdenken.
»Warum interessiert es dich?«
»Weil ich mich an denen rächen will, die meinem Bruder Unrecht angetan haben.«
Blutrache war eine einfache Angelegenheit der Ehre, die jeder Spanier verstand.
Sie lächelte mich an. Doch selbst wenn Catalina freundlich sein wollte, erinnerte ihr Lächeln eher an ein wölfisches Grinsen.
»Vielleicht wird der liebe Gott mir helfen, mich an die Zeit zu erinnern, in der ich daran beteiligt war, dem König das Silber zu entwenden.«
Dann berichtete mir Catalina von den Überfällen auf die Silbertransporte.
»Ich wurde wegen einer unbedeutenden Tat festgenommen und zum Tod durch den Strang verurteilt«, begann sie.
Ich sparte mir die Frage, auf welches Bagatelldelikt wohl die Todesstrafe stehen mochte.
»Doch anstatt mich dem Henker zuzuführen, verkaufte mich der Polizist an einen Mann, der mich nicht mit ehrlicher Arbeit beauftragte, sondern mir die Komplizenschaft bei einem V erbrechen anbot.«
»Wie hieß der Mann?«
Sie wusste es nicht.
»Beschreib ihn mir.«
Als sie es tat, war ich sicher, dass es sich nicht um Ramón de Alva handelte. Ich erwähnte seinen Namen nicht. Schließlich bestand die Möglichkeit, dass sie mich verriet, und dann hätten die Menschen, an denen ich mich rächen wollte, von meinen Plänen erfahren.
»Er hat mich gezwungen, bei den Überfällen auf die Silberkarawanen mitzumachen. Ein Bote des Münzamtes brachte mir die Liste mit den geplanten Transporten, und dann legte ich mich mit meinen Kumpanen auf die Lauer.«
»Mit wem hattest du sonst noch zu tun?«
»Dem Mann, mit dem dein Bruder mich in der Taverne gesehen hat. Sein Name ist Luis. Mehr weiß ich nicht über ihn.«
»Den zweiten Beutel mit Gold hast du dir noch nicht verdient.
Ich muss noch mehr erfahren.«
»Soll ich lügen?«
»Nein, du sollst in deinem Gedächtnis kramen und mir mehr über den Mann namens Luis erzählen. Hast du ihn je in Begleitung des Mannes gesehen, der dic h bei dem Polizisten freigekauft hat?«
Catalina überlegte eine Weile. »Nein, sie waren nie zusammen.« Sie hielt inne. »Jetzt erinnere ich mich wieder. Wenn du mir den zweiten Beutel Gold gibst, nenne ich dir den Namen des Mannes, der mich freigekauft hat.«
Ich reichte ihr den Beutel.
»Miguel de Soto.«
Aha, der Mann, der Arbeiter für den Tunnelbau vermittelte. Ramón de Alvas Schwager.
Catalina eilte davon, aber ich sparte mir die Mühe, sie aufzuhalten. Nun kannte ich die Verbindung zwischen Luis, Alva, den Überfällen auf die Silbertransporte und dem Tunnelbau. Allerdings handelte es sich nicht um Beweise, mit denen ich mich an die Behörden hätte wenden können. Und selbst wenn Gott mein Zeuge gewesen wäre, wäre das wegen der vielen Sünden, die ich auf dem Kerbholz hatte, ohnehin nicht möglich gewesen.
Ich musste daran denken, wie die kleine Juana, nackt und angekettet, von Teufeln in Priestergewändern betatscht worden war. Und auch an den tapferen Don, wie man ihn zum Tod in den Flammen führte.
Es war an der Zeit, nach Neuspanien zurückzukehren.
Mateo befand sich nicht in der Stadt. Ich wusste, wie sehr er sich freute, wieder in Spanien und unter seinesgleichen zu sein. Also wollte ich ihn nicht stören, sondern lieber bei Ana eine Nachricht für ihn hinterlassen. Ich würde meinen Freund vermissen, doch da das Leben ein stetiger Kreislauf war, würden wir einander vielleicht wiedersehen.
Ich hatte gehört, dass eines der Piratenschiffe, die in der Karibik kreuzten, in Kürze nach Kuba aufbrechen würde. Dort würde ich sicher eine Passage nach Veracruz finden.
VI
…er sehnte sich nach nichts weiter als nach einer Dame, der er das Königreich seines Herzens zu Füßen legen konnte…
Miguel de Cervantes, Don Quijote
1
Ich legte die Strecke von Sevilla nach Veracruz in drei Wochen an Bord eines Botenschiffes zurück, das der Schatzflotte vorausgeschickt wurde, um in Neuspanien zu melden, dass diese die Segel gesetzt hatte.
Zwei Jahre waren vergangen, seit ich gesehen hatte, wie Veracruz in der Ferne verschwand. Nun erhob sich der schneebedeckte Vulkankegel des Citlaltépetl, der höchste Berg Neuspaniens, wie eine Geistererscheinung über demselben Horizont, ein weißer,
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