Das Blut der Azteken
Straßenrand Halt machen, damit die Reisenden sich eine Mahlzeit kochen konnten. Es wurde dunkel, und somit wuchs die Gefahr eines Überfalls durch wilde Tiere - und noch wildere Menschen. Dass ich ebenfalls Mestize war, würde mir bei diesen Männern, die ohne mit der Wimper zu zucken raubten, vergewaltigten und töteten, nichts nützen. Außerdem wurden die Reisenden auch von Banden entflohener Sklaven bedroht. Diese waren noch gefürchteter als die Mestizen, da sie nicht nur größer und kräftiger waren, sondern auch mehr Leid hatten erdulden müssen als die Mischlinge. Zudem hatten sie weniger zu verlieren.
Etwa ein Dutzend Reisende ließ sich neben einem Agavenfeld nieder, um ein Feuer anzuzünden und ihr Nachtlager aufzuschlagen. Ich schloss mich ihnen an. Allerdings hatte ich weder etwas zu essen noch etwas auszupacken und auch kein Gerät zum Feuermachen. Doch wenigstens gab es hier einen Fluss, sodass ich zumindest Wasser schöpfen konnte. Nachdem ich durstig getrunken hatte, legte ich mich unter einen dichten Nadelbaum, wo ich während der Nacht geschützt sein würde, denn es sah nach Regen aus.
Ein hübscher Fluss schlängelte sich träge durch das Agavenfeld, das gewiss zu einer großen Hacienda gehörte.
Ich schlenderte an seinem Ufer entlang, hob einen Stock auf und schwang ihn, wie es Jungen eben so tun. Ich wollte schon umkehren, als ich das Gekicher von Mädchen hörte. Wie erstarrt blieb ich stehen und lauschte. Wieder drangen Lachen und Geplätscher an mein Ohr. Geduckt schlich ich auf das Geräusch zu. Durch das Gebüsch am Flussufer sah ich zwei junge Frauen, die im Wasser herumtollten und eine Kokosnuss wie einen Ball hin und her warfen. Eines der Mädchen hatte die hellbraune Hautfarbe einer Mulattin, die andere war eindeutig eine Afrikanerin.
Die beiden plauderten in einer Sprache, die ich nicht verstand. Nach einer Weile verschwand die Mulattin aus meinem Blickfeld. Ich fuhr fort, das andere, ebenholzschwarze Mädchen zu beobachten. Erst hatte sie mir den Rücken zugekehrt und schien mit ihrem Haar beschäftigt, doch dann drehte sie sich um und zeigte mir ihre nackten Brüste.
Hinter mir knackte ein Zweig. Als ich mich umwandte, stürzte die Mulattin auf mich zu und versetzte mir einen Stoß. Ich taumelte rückwärts und fiel in den Fluss. Strampelnd kam ich wieder auf die Beine, während die Mulattin ins Wasser sprang und zu ihrer Freundin hinüberschwamm. Die beiden duckten sich bis zum Hals ins Wasser.
Ich grinste sie an. »Buenos días.«
»Buenos días«, erwiderte die Mulattin.
»Ich bin Kaufmann und auf dem Weg nach Jalapa«, log ich.
Die Mulattin lächelte mir zu. »Du siehst eher wie ein Junge aus als wie ein Kaufmann.«
Die beiden Mädchen waren schätzungsweise in meinem Alter, wirkten aber älter. Als die Mulattin etwas zu der Afrikanerin sagte, nahm ich an, dass sie unser Gespräch übersetzte. Wenn sie Feldarbeiterin war, sprach sie vermutlich kaum oder gar kein Spanisch.
»Mein Vater ist ein reicher Kaufmann. Ich begleite seine Waren.«
Lachend schüttelte die Mulattin den Kopf. »Du bist aber gekleidet wie ein Bauer.«
»Ich habe mich verkleidet, damit die Banditen mich nicht ausrauben.«
Ich fand beide Mädchen sehr anziehend, und als ich sie betrachtete, fragte ich mich, wie es wohl sein mochte, mit ihnen zu schlafen. Offenbar hatten sie meine Gedanken gelesen, denn sie tauschten Blicke und brachen in Gelächter aus. Mein Grinsen wurde breiter, und ich spürte, dass ich verlegen errötete.
Nach einem kurzen Wortwechsel in der mir fremden Sprache fragte die Mulattin: »Hast du schon mit vielen Frauen geschlafen?«
Ich zuckte die Achseln und setzte eine gleichmütige Miene auf. »Ich bin bei den Damen sehr begehrt.«
Die Mulattin musterte mich eine Weile. Dann stürmten die beiden Mädchen aus dem Wasser. Als ich ihnen nachlaufen wollte, rutschte ich auf dem glitschigen Boden aus, und als ich prustend wieder auftauchte, sah ich die beiden im Gebüsch verschwinden.
Wie ein begossener Pudel kehrte ich zum Lager zurück. Frauen waren für mich ein Geheimnis. Und obwohl ich Männer gut einschätzen konnte, dämmerte mir, dass ich, was die Damenwelt anging, noch viel zu lernen hatte.
10
Als es dunkel wurde, gewann meine Neugier die Oberhand. Ich schlüpfte ins Agavenfeld, wo mich weder die übrigen Reisenden noch die Indios sehen konnten, die das Feld bewachten.
Agaven waren gewaltige Pflanzen mit Blättern, die breiter als meine Beine und größer waren als
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