Das Blut der Azteken
ich mit ihm fertig bin, wird mir niemand mehr davonlaufen.«
»Hier draußen wimmelt es von entflohenen Sklaven, die jeden Spanier, den sie in die Finger kriegen, berauben, vergewaltigen oder töten«, erwiderte der andere Mann.
Während ich ihnen zuhörte, wurde mir klar, dass ich den Plantagenbesitzer kannte. Er besuchte gelegentlich die Kirche in Veracruz, und ich wusste, dass er ein grausamer und dummer Mensch war, der aus reinem Vergnügen seine männlichen Sklaven kastrierte, die Frauen vergewaltigte und die Peitsche gebrauchte. Selbst unter seinen Standesgenossen galt er als Wiedergeburt des Teufels. Als ich einmal zur Kirche gegangen war - wie immer, wenn Bruder Antonio mich genug gescholten hatte -, war dieser Mann mit einem Sklaven erschienen, einem Jungen etwa in meinem Alter, den er wegen irgendeines Fehltritts heftig geschlagen hatte. Er hatte dem nackten Jungen ein Seil um den Hals gelegt und schleppte ihn in die Kirche wie einen Hund.
Als ich Bruder Antonio davon berichtete, entgegnete dieser, der Mann werde in der Hölle brennen. »In manchen Menschen lodert der Hass und äußert sich in Grausamkeiten gegen ihren Nächsten. Dieser Mann hasst Menschen mit schwarzer Haut. Er besitzt nur Sklaven, um sie zu misshandeln.«
Ich dachte über die Worte des Bruders nach, während ich lauschte, als der Mann sich lautstark damit brüstete, wie viele entflohene Sklaven er bereits aufgespürt und wie viele Afrikanerinnen er schon vergewaltigt hatte. Wie mochte es sein, wenn man der Sklave eines Wahnsinnigen und diesem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war? Der einen töten konnte, wenn ihm der Sinn danach stand?
»Der da behauptet, er wäre in seiner Heimat ein Prinz«, meinte der Sklavenbesitzer lachend. Er nahm einen Stein und warf ihn nach dem gefesselten Sklaven. »Das ist dein Abendessen, Prinz Yanga.« Wieder lachte er brüllend auf.
»Ein ziemlich störrisches Exemplar«, sagte der zweite Spanier.
»Nachdem ich ihn entmannt habe, wird sich das ändern.«
Um Gottes willen, er wollte ihn kastrieren!
Als ich den Sklaven ansah, starrte er ausdruckslos zurück. Er wusste, was ihm bevorstand. Doch als ich ihn weiter betrachtete und mich sein Blick aus braunen Augen traf, erkannte ich seinen Schmerz und auch, dass er ganz offensichtlich ein kluger Mann war. Er litt nicht nur an seinen Verletzungen, sondern war tief in seinem Innersten gekränkt. Auch er war ein Mensch!
Da ich seine traurigen Augen nicht ertragen konnte, wandte ich den Kopf ab. Sklaven wurden kastriert, da man glaubte, dass sie dadurch fügsamer würden.
Ein anderer Kaufmann hatte das Gespräch verfolgt und auch meinen angewiderten Blick bemerkt.
»Sklaven sind Eigentum«, meinte er tadelnd zu mir und sah mich finster an. »Ein jeder benutzt sie auf den Feldern oder im Bett, wie es ihm beliebt. Wie die Indios haben sie keinen Verstand. Doch die Afrikaner und die Indios sind wenigstens reinblütig. Der schlimmste Abschaum sind die Mestizen, wie du einer bist.«
Ich stand auf und suchte mir einen anderen Baum, um darunter zu schlafen, denn ich war sicher, dass ich etwas erwidern und dafür eine Abreibung beziehen würde, wenn ich blieb.
11
Nach einem tiefen Schlaf wachte ich mitten in der Nacht auf. Der Mond schwebte gespenstisch durch düstere Wolken und ließ sich nur hin und wieder blicken. Wenn eine Wolke ihn verdeckte, war der Himmel pechschwarz. Vogelrufe hallten durch die Nacht. Es raschelte im Gebüsch, als ein größeres Tier durch den Wald schlich. Dazu kamen das Schnarchen der Reisenden und das Schnauben eines Maultiers.
Da schoss mir ein wahnwitziger Gedanke durch den Kopf. Vielleicht lag es am pulque, dem Getränk, das sogar die Götter berauscht hatte und das mich nun um den Verstand brachte, sodass ich bereit war, Dinge zu tun, die selbst ein lépero für verrückt gehalten hätte.
Als ich sicher war, dass sich niemand rührte, nahm ich mein Messer vom Gürtel und stand auf. Geduckt schlich ich ins Agavenfeld und entfernte mich vom Lager. Falls mich jemand bemerkte, würde man sicher glauben, dass ich meine Notdurft verrichten musste oder pulque stehlen wollte.
Ich umrundete das Lager bis zu der Stelle, wo der Sklave Yanga an einen Baum gefesselt war. Auf Händen und Knien kroch ich so lautlos wie eine Schlange auf ihn zu. Yanga drehte den Kopf und blickte mich an. Ich hielt inne und legte die Hand an den Mund, damit er still war.
Als der Sklavenbesitzer zu husten begann, erstarrte ich. Ich konnte ihn zwar in
Weitere Kostenlose Bücher