Das Blut der Azteken
weil die Menschen dort denken, dass wir es auf ihre Frauen und ihre Vorräte abgesehen haben, trifft ein Speer im Kampf meine Brust.
Wir flüchten uns in die Berge, wo die Gegner uns nicht so leicht angreifen können. Ich bin der Hohepriester, Zauberer, König und der tapferste Krieger des Stammes. Ohne mich wird mein Volk nicht überleben.
Als ich, Huitzilopochtli, Häuptling und Priester meines Stammes, umringt von den geringeren Priestern und Unterführern, im Sterben liege, beobachte ich, wie ein Kolibri den Nektar aus einer Blüte saugt. Dann dreht sich der Kolibri um und spricht zu mir:
»Huitzilopochtli, dein Stamm leidet, weil er die Götter gegen sich aufgebracht hat. Du hast um Nahrung, Unterkunft und den Sieg über deine Feinde gebetet, aber keine Gegenleistung dafür erbracht. Auch die Götter brauchen Nahrung, und ihre Nahrung ist das Blut der Menschen. Wenn dein Volk überleben soll, musst du uns Blut geben.«
Wir aus dem Norden sind so unwissend, was die Bedürfnisse der Götter angeht. Wir kennen den Pakt zwischen Gott und den Menschen nicht.
Ich winke die Priester und Unterführer heran, damit ich ihnen meine Anweisungen erteilen kann.
»Wir müssen zurückkehren und die Dorfbewohner angreifen. Kurz vor Morgengrauen, wenn es noch dunkel ist und sie nach den Siegesfeiern ihren Rausch ausschlafen, werden wir sie überfallen und uns rächen.«
»Dazu sind wir zu schwach«, widerspricht einer.
»Wir werden sie überraschen. Unsere Verzweiflung wird uns Kraft geben. Wir müssen angreifen und Gefangene machen. Wir haben die Götter beleidigt, weil wir ihnen kein Blut gegeben haben. Erst wenn wir viele Gefangene opfern, werden die Götter uns belohnen.«
Ich erkläre ihnen, dass mein Körper zwar sterben, aber dass meine unsterbliche Seele bei ihnen bleiben und ein Gott werden wird.
In jener Nacht greifen meine Krieger die Dorfbewohner an, nehmen viele Feinde gefangen und opfern sie.
Das war der Beginn des Blutpaktes zwischen den Mexicas und den Göttern. Im Austausch für das Blut schenkten die Götter uns den Sieg und Nahrung für unsere Körper.
Und es gab nur einen Weg, dieses Blut zu bekommen.
Krieg.
33
Von der Spitze meines Totempfahls aus sah ich zu, wie mein Volk immer größer und mächtiger wurde. Einige Generationen später galt es nicht mehr als kleiner, dahergelaufener Stamm, sondern genoss einiges Ansehen.
Die Mexicas hatten zwar immer noch kein Land, waren aber stark genug, um anderen Stämmen Lebensmittel und Frauen abzunehmen.
Dieser Ruf brachte uns mehr ein als unsere Waffen, denn wir waren noch immer kein großer Stamm. Inzwischen hatten wir viertausend Kochfeuer und vier Sippen und konnten eintausend Krieger zusammenrufen. Doch das waren nicht viele in einem Land, in dem mächtige Könige etwa die hundertfache Zahl in die Schlacht schickten.
Ich, Huitzilopochtli, wurde auf den Wanderschaften oder in der Schlacht in einem Totem vorneweg getragen.
Wegen unseres Rufes als unerbittliche Kämpfer wurden wir häufig in den Kriegen anderer zur Hilfe gerufen. Der König der Tolteken bezahlte die nördlichen Stämme, von dene n wir der kleinste waren, oft dafür, gegen seine Feinde zu kämpfen. Für die Tolteken waren wir ungehobelte Barbaren und nur dazu gut, uns für sie zu schlagen - und zu sterben.
Der Krieg, in den wir nun geschickt wurden, war von Huemac, dem König der Tolteken, angefangen worden, weil ein anderer Stamm den geforderten Tribut nicht bezahlen konnte. Es hieß, dass dieser Stamm die besten Jadeschnitzer in diesem Gebiet hervorbrachte, weshalb es sich wahrscheinlich nur um einen Vorwand handelte, um die Schnitzer in die Sklaverei zu verschleppen und ihnen das Land zu stehlen.
Das Land der Gegner hieß Anáhuac, und wir sollten einen Teil davon bekommen, nachdem wir die Bewohner umgebracht hatten.
Stolz marschierten wir Mexicas, angeführt vom König der Tolteken, hinter den größeren Stämmen nach Tula, wo wir uns seinem Feldzug gegen die Jadeschnitzer anschließen sollten.
Die Toltekenkönige von Tula waren die reichsten und mächtigsten der einzigen Welt. Sie hatten Tula nach dem Vorbild von Teotihuacan erbaut und die Stadt außerdem mit prunkvollen, tempelähnlichen Palästen und üppigen Gärten voller Blumenmeere ausgestattet.
Anders als wir Mexicas, die nichts konnten außer kämpfen, verfügten die Tolteken von Tula über erstaunliche Fähigkeiten und waren Schreiber, Goldschmiede, Steinmetze, Zimmerleute, Maurer, Töpfer, Spinner, Weber und
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