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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nach der Gerissenheit in meinem Blick. »Er ist der Beste, der uns bis jetzt untergekommen ist.« Als er sich näherte, ließ ich mir nicht anmerken, wie sehr mich sein Gestank abstieß. Er packte mich an der Kehle, und ich spürte sein Messer zwischen meinen Beinen. »Ist der alte Mann mit den Schlangen dein Vater?«
    »Si, Señor.«
    »Du kannst schnell laufen, mein Junge, aber der alte Mann nicht. Jedes Mal, wenn du mich verärgerst, werde ich ihm einen Finger abschneiden. Und wenn du fliehst, kostet es ihn den Kopf.«
    »Wir müssen nach Süden, zum Monte Albán im Tal Oaxaca«, erklärte ich dem Zauberer später. »Zwei Spanier wollen, dass ich etwas für sie erledige. Sie werden mich gut bezahlen.«
    Ich erzählte ihm, Sancho habe mich gebeten, ihm etwas wiederzubeschaffen, das er verloren habe. Worin die Aufgabe wirklich bestand, konnte ich dem Zauberer nicht sagen, da ich es selbst nicht wusste. Doch wie es seine Art war, stellte er keine Fragen. Ich hatte den Eindruck, dass das nicht an mangelnder Neugier lag, sondern daran, dass ihm ohnehin klar war, was geschehen würde. Zweifellos hatte ein Vogel das Gespräch belauscht und ihm Bericht erstattet.
    Da der Markt erst in einigen Stunden schließen würde, schlenderte ich noch eine Weile herum, betrachtete die Reichtümer und überlegte, wie ich entkommen sollte. Von der Theatergruppe konnte ich keine Spur entdecken. Vermutlich hatten sich die Schauspieler von dem Schwertkämpfer und Poeten getrennt oder waren inzwischen am Galgen geendet.
    Mateo wirkte angespannter als bei unserer letzten Begegnung. Außerdem war seine Kleidung nicht mehr so gepflegt. Vielleicht hatte er in den letzten Jahren kein Glück gehabt. Ich hatte nicht vergessen, dass ich ihm mein Leben verdankte.
    Als ich über den Markt bummelte, brach plötzlich Tumult aus, und eine Menschenmenge versammelte sich. Bei einem Wettbewerb im Bogenschießen war ein Indio von einem verirrten Pfeil getroffen worden. Um den Verletzten scharten sich die Gaffer, und ich drängelte mich durch, um besser sehen zu können. Der Freund des Mannes kniete neben ihm und wollte den Pfeil herausziehen. Doch ein anderer hielt ihn zurück.
    »Wenn du den Pfeil so herausziehst, gibt es innere Verletzungen, und er verblutet.«
    Der Sprecher, ein etwa vierzigjähriger Spanier in der Kleidung eines reichen Kaufmanns, ging in die Knie und untersuchte die Wunde. Ich hörte, wie jemand ihn ›Don Julio‹ nannte, als er die Männer anwies, den Verwundeten vom Boden aufzuheben.
    »Legt ihn hierhin. Tretet zurück«, befahl er den Umstehenden.
    Da mich die Heilkunst schon immer fasziniert hatte, half ich Don Julio und zwei anderen, den Verletzten hinter die Marktbuden zu bringen, wo niemand ihn anstarren oder über ihn stolpern konnte.
    Dann sah sich Don Julio noch einmal die Wunde an.
    »In welcher Haltung warst du, als du getroffen wurdest?« Don Julio sprach Spanisch mit leichtem Akzent, und ich vermutete, dass er Portugiese war. Nachdem der spanische König den portugiesischen Thron geerbt hatte, waren viele Portugiesen hierher gekommen.
    »Ich habe gestanden.«
    »Aufrecht oder ein wenig gebeugt?«
    Der Mann stöhnte. »Vielleicht ein wenig gebeugt.«
    »Streckt ihm die Beine«, befahl er uns.
    Nachdem die Beine des Mannes gerade waren, mussten wir dasselbe mit seinem Oberkörper tun. Als die Haltung des Mannes der, in der er angeschossen worden war, möglichst ähnelte, untersuchte Don Julio sorgfältig die Stelle, an der sich der Pfeil in die Haut gebohrt hatte.
    »Zieht ihn raus, bevor er stirbt«, drängte der Freund des Mannes ungeduldig. Er sprach das gebrochene Spanisch der Indios vom Land.
    »Er muss ihn auf demselben Weg herausziehen, auf dem er eingedrungen ist«, erklärte ich dem Mann. »Sonst vergrößert er nur die Wunde.« Don Julio warf mir einen Blick zu. Ich hatte unwillkürlich das Spanisch der gebildeten Schichten gesprochen, anstatt die Wörter wie bei meiner Unterredung mit Sancho absichtlich zu verunstalten.
    Er warf mir einen halben Real zu. »Lauf zu einem Stoffhändler und besorg mir ein Stück saubere weiße Baumwolle.«
    Kurze Zeit später war ich mit dem Stück Stoff zurück. Das Wechselgeld behielt ich.
    Nachdem Don Julio den Pfeil entfernt hatte, verband er die offene Wunde mit dem Stoffstreifen.
    »Dieser Mann kann nicht zu Fuß gehen oder auf einem Maultier reiten«, sagte er zu dem Freund des Verwundeten. »Er muss still liegen, bis die Blutungen aufhören.« Er nahm den Freund beiseite.

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