Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Randall, sichtlich verärgert, wissen.
»Es handelt sich nicht um eine Meinung, sondern um eine Tatsache. Zwar hat der Templerorden im Languedoc Burgen und Komtureien besessen und über gute Beziehungen zu den Grundherren in diesem Gebiet verfügt. Das aber bedeutet nicht zwangsläufig, dass er sich an deren Kampf gegen Kirche und König beteiligt hat. Gesichert ist lediglich, dass die Tempelritter, die auch in Spanien gegen die dort als Mauren bezeichneten Islamgläubigen kämpften, es nicht als ihre Aufgabe ansahen, das Schwert gegen Christen zu ziehen, ob Ketzer oder nicht. Allerdings hat das auch nie jemand von ihnen verlangt.«
»Sie glauben also nicht, dass die Templer den Heiligen Gral ins Languedoc gebracht und hier versteckt haben?«, meldete sich Raymond zu Wort.
»Nein. Einfach, weil es ihn nicht gibt. Man kann nicht gut etwas ins Land bringen, was nicht existiert.«
»Aber, Professor Arnaud, nach Aussage einiger Wissenschaftler haben die Templer in Jerusalem unter dem Tempel Salomons eine verborgene Kammer entdeckt, die bedeutende Geheimnisse enthielt. Diese haben ihnen die Macht verliehen, die Kirche unter Druck zu setzen, die die Ausbreitung dieser Geheimnisse fürchtete …«
»Das sind esoterische Fantastereien, für die es keinerlei Beleg und erst recht keinen Beweis gibt. Die Templer waren König Philipp IV. von Frankreich, der Schöne genannt, ein Dorn im Auge. Er wollte die geistlichen Ritterorden nicht nur zusammenfassen und der Macht der Krone unterstellen, sondern sich selbstverständlich auch deren Besitzungen aneignen, weil der Krieg gegen England seine finanziellen Reserven vollständig erschöpft
hatte. Der Papst hat sich dagegen verwahrt, dass der König Frankreichs seine Hand auf die Einkünfte aus Kirchenbesitz legen wollte, und so hat der König eine Kampagne gegen ihn entfesselt. Für diesen Kampf gegen Papst und Templer hat er sich auf seinen Berater und Großsiegelbewahrer Wilhelm von Nogaret gestützt.«
»Ja, man hat den beiden vorgeworfen, sie hätten das Kreuz bespuckt, ganz wie angeblich die Katharer, denen es ein Gräuel war«, sagte Raymond versonnen lächelnd.
»Nogaret stammte aus einer Katharerfamilie, das nebenbei. Aber zum Thema: Ein aus dem Orden ausgestoßener Templer hat als Erster die Behauptung verbreitet, es gebe dort Gotteslästerung, Sodomie und geheime Initiationsriten … Damit hat er Nogaret einen Vorwand sozusagen frei Haus geliefert, auf den gestützt der König das Verfahren gegen die Templer in Gang setzen konnte. Nogaret hat angeregt, der für Frankreich zuständige Inquisitor, zugleich Beichtvater des Königs, möge sich den Templerorden einmal genauer ansehen. Daraufhin hat der Papst dem Inquisitor Vorhaltungen gemacht und dem König Maßlosigkeit vorgeworfen. Philipp aber ließ durch de Nogaret eine Kampagne gegen den Papst führen, der sich dieser nach Kräften widersetzt hat. Anfangs hat der Heilige Stuhl die Templer als schuldlos angesehen, aber später ihr Verhalten untersuchen lassen – wohlgemerkt als Einzelpersonen, weil man nicht den ganzen Orden unter Anklage stellen wollte. Manche Templer hatten ›Verfehlungen‹ zugegeben, die man ihnen unterstellte, manche aber haben ihr Geständnis widerrufen, weil man es ihnen unter der Folter abgezwungen habe …«
»Und haben sie das Kreuz bespuckt?«, fiel ihm Raymond scharf ins Wort.
Arnaud entging der spöttische Blick nicht, mit dem der junge
Graf diese Frage begleitete. Diesem kam es unübersehbar weder auf Erklärungen noch auf Zwischentöne an – er wollte ein klares »Ja« oder »Nein« hören.
»Unter der Folter hat der eine oder andere Templer entsetzliche Verbrechen gestanden, doch war der Orden meiner Überzeugung nach, und dabei stütze ich mich auf Dokumente, das heißt, auf Tatsachen, nicht esoterisch ausgerichtet, auch wenn ihn manche Romanautoren als Gemeinschaft von geheimnisumwitterten Rittern darstellen. Das aber dürfte lediglich ein literarischer Kunstgriff sein. Die Auflösung des Ordens erfolgte in Übereinkunft zwischen dem Papst und dem französischen König aus Gründen, die nicht das Geringste mit der Religion zu tun hatten.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, beharrte Raymond.
»Menschen, die man foltert, sagen, was gewünscht wird, weshalb unter der Folter abgelegte Geständnisse keinerlei Aussagewert haben. Auch wenn manche es darauf anlegen, die Templer als geheimnisvolle Gemeinschaft darzustellen, so muss man sagen, dass das nicht der
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