Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Atheist bin.«
Da das Gespräch für Arnauds Geschmack in ein allzu persönliches Fahrwasser geriet, beschloss er, während sich der Zug dem Bahnhof von Carcassonne näherte, es auf die Katharer und Bruder Julián zu lenken.
17
Raymond, der Sohn des Grafen, inzwischen ein kräftiger junger Mann, empfing die Besucher am Burgtor. In seinem Gesicht stachen die leuchtend grünen Augen hervor, mit denen er alles um sich herum aufmerksam musterte, zugleich aber auch in sonderbarer Weise auf Distanz hielt.
»Willkommen, Professor«, grüßte er Arnaud. »Und auch Sie, Monsieur …«
»Aguirre«, sagte Arnaud. Die Situation schien ihn nach wie vor ein wenig zu verwirren.
»Mein Vater kommt morgen zurück, aber als ich ihn angerufen habe, um ihm zu sagen, dass Sie herkommen wollten, hat er mich gebeten, Sie an seiner Stelle zu empfangen. Für Sie ist das übliche Zimmer hergerichtet, und Sie, Monsieur Aguirre, bekommen das daneben. Ich hoffe, dass Sie sich beide bei uns wohlfühlen. In zwei Stunden wird das Essen serviert. Sollten Sie mich bis dahin für irgendetwas brauchen, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.«
»Ignacio ist ein glänzender Student, von dem ich überzeugt bin, dass er eines Tages mehr über die Katharer wissen wird als ich. Er hat mich in den vergangenen Monaten bei meiner Arbeit an dem Buch unterstützt, und daher glaubte ich es ihm schuldig zu sein, ihm den Ort zu zeigen, mit dem wir uns so lange beschäftigt haben …«
»Gewiss, Professor. Fahren Sie auch nach Montségur?«
»Sehr gern. Ich habe Ignacio schon erklärt, dass man etwas ganz Besonderes spürt, wenn man sich dem Berg nähert. Man merkt, dass die geschichtlichen Ereignisse der ganzen Umgebung ihren Stempel aufgedrückt haben.«
»So ist es. Niemand, der nach Montségur kommt, bleibt davon unberührt«, gab der Sohn des Grafen zurück.
Ein Geländewagen mit zwei Männern darin näherte sich.
»Die beiden Herren, die dort kommen, sind gleichfalls Gäste meines Vaters. Sie haben eine Ausfahrt unternommen«, erklärte Raymond, während sie ausstiegen und einem Bedienten die Schlüssel gaben. Einer der beiden war in Arnauds Alter, der andere deutlich jünger.
»Ich darf Ihnen die Herren Stresemann und Randall vorstellen.«
Die vier Besucher begrüßten einander mit gemessener Höflichkeit und begannen ein Gespräch über das Wetter und die Schönheit der Umgebung, bevor sie ihre Zimmer aufsuchten.
Schon bald klopfte der Butler an Arnauds Tür, um ihm mitzuteilen, der Sohn des Grafen sei bereit, sich mit ihnen zu unterhalten. Dieser schien darauf zu brennen, seine Rolle als Hausherr auf Zeit zu spielen.
»Sie interessieren sich also auch für die Geschichte der Katharer«, wandte er sich an Aguirre.
»Ja, Professor Arnaud hat mich mit seiner Begeisterung angesteckt«, gab der junge Priester zur Antwort und errötete, weniger wegen der direkten Frage als wegen der Notwendigkeit, die Unwahrheit zu sagen.
»Kennen Sie Bruder Juliáns Geschichte gut?«
»Nun … eigentlich schon … wie viel Leid darin beschrieben wird!«
Entschlossen, nicht in das Gespräch einzugreifen, hörte Arnaud den beiden zu, während ihnen der junge Graf die Umgebung der Burg zeigte. Er überlegte, ob Raymond wohl aus der Rolle fallen würde wie damals bei David. Man merkte ihm die strenge Erziehung an. Vermutlich war er überzeugt, dass er eines Tages, wenn er selbst Graf d’Amis war, die Rolle werde spielen können, die man ihm zugedacht hatte.
»Ich finde die Intoleranz der Kirche unerträglich, wenn sie den Menschen, statt deren Überzeugungen zu achten, ihre Lehre mit Feuer und Schwert aufzwingt, als wäre sie im alleinigen Besitz der Wahrheit. Vor ihr hat es andere Religionen gegeben – wieso glaubt sie dann, das Monopol auf die Wahrheit gepachtet zu haben?«, ereiferte sich der junge Graf.
»Gott hat sie ihr geoffenbart«, gab Ignacio unbehaglich zurück, weil er seinen Standpunkt nicht ausführlich darlegen konnte, denn Arnaud hatte ihm mit einer Geste bedeutet, sich keinesfalls auf diese Art von Auseinandersetzung einzulassen.
»Die Wahrheit geoffenbart? So ein Unfug«, hielt ihm Raymond ernsthaft entgegen. »Wie viele Konzile waren nötig, bis man sich in der Kirche auf das geeinigt hat, was die Menschen glauben sollen? Hinter der katholischen Kirche steht keine geoffenbarte Wahrheit, sondern lediglich eine mächtige Maschinerie, die leicht zu beeindruckende Menschen beherrschen soll.«
»Und woran glauben Sie?«, fragte der junge
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