Das Blut der Unschuldigen: Thriller
und es leben keine Ungläubigen mehr dort.«
Omar erhob sich und verabschiedete sich von seinen Besuchern.
Er schien mit einem Mal besorgt zu sein, ohne dass Mohammed den Grund dafür hätte nennen können. Vielleicht hatte ihn das Eindringen seiner Tochter mehr geärgert, als er zeigen wollte.
An der Haustür umarmten sie einander zum Abschied. Der Geländewagen, der sie zu Hakims Haus bringen sollte, stand bereit.
Während der nahezu eine Stunde dauernden Fahrt überlegte Mohammed, dass die Essenszeit bestimmt vorüber sein würde, bis sie dort eintrafen. Er hatte Hunger, sagte aber nichts, denn er sah, dass sein Freund Ali in sich versunken dasaß und den leeren Blick über die Landschaft schweifen ließ. Auch der Fahrer sprach nicht, und so kam Mohammed zu dem Ergebnis, dass man von ihm ebenfalls Schweigen erwartete.
Als der Wagen in einen Feldweg einbog, sah man von ferne einen Berghang, an dessen Fuß mehrere leuchtend weiße Häuser standen. Es dauerte fast noch einmal eine halbe Stunde, bis sie dort eintrafen. Das von sich weithin erstreckenden Feldern umgebene Dorf bestand aus höchstens fünfzig Häusern. In seiner Mitte befand sich eine von ausladenden Feigenbäumen beschattete riesige Zisterne. Man sah niemanden, was angesichts der Hitze des frühen Nachmittags nicht weiter verwunderlich war.
Der Fahrer hielt vor einem Haus am jenseitigen Rand des Dorfes an. Während sie darauf warteten, dass man ihnen das Zufahrtstor öffnete, sah Mohammed, dass hinter dem Haus ein Gemüsegarten lag.
Ein bärtiger mittelgroßer Mann von athletischem Körperbau, dessen Gesicht eine kräftige Nase beherrschte, kam heraus.
»Willkommen, tretet ein. Ich habe schon auf euch gewartet.«
Er führte sie durch den Halbdämmer des Flurs in einen Raum, von dem aus es auf eine Terrasse ging. Ein kleiner Springbrunnen davor spendete angenehme Kühle.
»Setzt euch. Ihr bekommt gleich etwas zu essen.«
Gehorsam nahmen Mohammed und Ali auf einem Sofa Platz. Hakim setzte sich ihnen gegenüber.
Ein junger Mann in einer Djellaba, der gleich Hakim braune Augen hatte und dessen Gesicht wie bei diesem der Bart teilweise verdeckte, brachte ein Tablett mit einem Krug Wasser und Gläsern herein, das er auf den Tisch stellte. Mohammed glaubte, eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden feststellen zu können.
»Mein jüngerer Bruder Achmed«, sagte Hakim, als dieser wortlos wieder hinausgegangen war. »Er hat in Granada studiert. Ich glaube, er kennt deine Schwester.«
Mohammed rutschte unbehaglich auf dem Sofa umher. Es war ihm nicht recht, ständig an Laila erinnert zu werden, und so ging er nicht darauf ein, sondern konzentrierte sich auf das Glas Wasser, das er an die Lippen setzte.
»Allah sei Dank hat er gleich uns anderen den richtigen Weg gefunden. Anfangs wollte er nicht auf unsere Gründe hören, weil er sicher war, die Christen würden ihn wie ihresgleichen behandeln. Er hat gern in Granada studiert, weil ihm die Atmosphäre der Freiheit an der Universität gefallen hat, und stets hat er seine dortigen Freunde heftig verteidigt. Doch eines Tages hat er gemerkt, dass er nie einer von ihnen sein würde, sondern immer nur ein ›Muselmann‹, wie man uns herablassend nennt.«
Jetzt brachten Achmed und eine Frau, die ebenfalls in eine Djellaba gekleidet war und dazu ein Kopftuch trug, zwei Tabletts mit Salat, Käse, Hummus, Datteln und Orangen herein.
Ohne ein Wort zu sagen, verschwanden beide so rasch, wie sie gekommen waren.
»Das war meine ältere Schwester. Sie ist verwitwet wie ich, und so kümmert sie sich um mein Haus. Ihre beiden Kinder leben ebenfalls hier. Sie sind noch klein.«
Schweigend hörten Ali und Mohammed zu.
Hakim forderte sie auf zuzugreifen. Während sie aßen, unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten. Erst nachdem Hakims Schwester den Kaffee gebracht hatte, kamen sie auf ihr Vorhaben zu sprechen.
»Omar hat euch in Einzelheiten erklärt, worin der Auftrag besteht?«
»Ja«, sagten Mohammed und Ali wie aus einem Munde.
»Und seid ihr bereit? Ihr solltet es euch gut überlegen, denn die Sache wird nicht einfach sein. Es ist ohne weiteres möglich, dass der eine oder andere von uns dabei ums Leben kommt …«
»Wenn ich sterbe, hoffe ich, zu Allah ins Paradies einzugehen«, versicherte Ali im Brustton der Überzeugung.
»Was ist schon dabei, wenn wir sterben müssen? Die Hauptsache ist, der Auftrag wird erledigt«, fügte Mohammed voll Begeisterung hinzu.
»Sicher, sterben ist eine Ehre,
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