Das Blut der Unschuldigen: Thriller
nämlich Erbin einer Geschichte. Doch selbst wenn du nicht die künftige Gräfin d’Amis wärest, bist du auf keinen Fall wie der Kellner hier. Du hast an einer erstklassigen Universität studiert, bist von klein auf verwöhnt und verhätschelt worden, und es hat dir an nichts gefehlt.«
»In dem Punkt irrst du dich. Auch ich war Kellnerin. Zwei Jahre lang habe ich in einer der Cafeterias meiner Universität den Gästen Erfrischungsgetränke und heiße Würstchen an die Tische gebracht. Diese beiden Jahre waren die interessantesten meines bisherigen Lebens. Was stört dich am Beruf eines Kellners? Bei uns in Amerika ist es nicht wichtig, welche Arbeit man tut, und die Menschen sind stolz darauf, wenn sie als Kellner, Zeitungsbote, Straßenkehrer oder was auch immer gearbeitet haben. Hältst du dich wirklich für etwas Besseres?«
Sie brach in Lachen aus. Es schmerzte ihn, und er begann, Zorn auf seine verstorbene Gattin zu empfinden, die seine
Tochter zu einer ordinären Frau erzogen hatte, zu einem Menschen, der fähig war, sich dem jungen Mann mit dem Akzent der Pariser Vorstädte gleich zu fühlen, der sie da bediente.
»Was hat dir deine Mutter über mich berichtet?«, wollte er wissen.
»Die Wahrheit. Sie hat mich nie belogen. Sie hat mir erklärt, dass dein Vater nicht ganz richtig im Kopf war und dir als Kind seine überspannten Ideen eingetrichtert hat.«
»Ich bin nicht überspannt, Catherine, ich will nur das Beste für mein Land und meine Leute. Als Erbe einer Überlieferung habe ich eine Verantwortung gegenüber der Gegenwart und der Zukunft. Möglicherweise wirst du das verstehen, wenn du eines Tages Gräfin d’Amis bist.«
»Ich habe nicht die geringste Absicht, Gräfin zu werden«, versicherte sie ihm.
»Danach wirst du nicht gefragt. Sobald ich sterbe, bist du es, ob du willst oder nicht. Seit Jahren quält mich die Sorge, dass meine Familie mit mir aussterben könnte und so viele Jahrhunderte der Pflichterfüllung ins Nichts verschwinden, weil du so bist, wie du bist.«
»Wie bin ich denn? Du kennst mich überhaupt nicht«, gab sie hochmütig zurück.
»Es fällt nicht schwer, sich das vorzustellen, wenn man weiß, wie dich deine Mutter erzogen hat. Jahrelang habe ich sie immer wieder gebeten, dich auf die Burg zu schicken, damit du dein künftiges Erbe kennenlernst, aber sie wollte nicht. Hinzu kam deine Haltung, mit der du alles von dir gewiesen hast, was mit mir zu tun hatte.«
»Ich brauche nichts von dir. Mutter hat immer genug verdient, um uns beide zu ernähren, und mehr als das.«
Er seufzte. Diese junge Frau, die seine Tochter war, kostete
ihn mit ihrer direkten Art, mit ihrer Selbstsicherheit und damit, dass sie ohne jede Hemmung sagte, was sie dachte, viel Kraft. Sie war so ganz anders, als er sie sich erträumt hatte.
Er begleitete sie zu ihrem Hotel und wagte nicht, sie nach einem möglichen Wiedersehen zu fragen.
»Woher wusstest du überhaupt, dass ich im Crillon bin?«
»Mein Anwalt hat deinen Anwalt gefragt, und er hat ihm gesagt, dass du in Paris bist.«
Sie verabschiedeten sich ohne Händedruck voneinander. Er fühlte sich bedrückt und fürchtete, dass er seine Tochter zum ersten und letzten Mal gesehen hatte.
33
Omar, der in Spanien an der Spitze der Kommandos der Gruppe stand, hatte Mohammed Amir und Ali nach Caños Blancos in Hakims Haus beordert.
Auf der Fahrt dorthin machten die beiden gequälte Scherze. Ihnen war klar, dass man ihnen den Zeitpunkt des Anschlags mitteilen und letzte Einzelheiten mit auf den Weg geben würde. Sie hatten also nur noch wenige Tage zu leben.
Mohammed fürchtete, von Omar außerdem erneut wegen seiner Schwester zur Rede gestellt zu werden.
In Caños Blancos angekommen, öffnete ihnen Hakims Bruder und führte sie sogleich ins Wohnzimmer, wo Omar sie mit einer Umarmung begrüßte.
»Salim al-Bashir hat mir die letzten Anweisungen übermittelt. Der Anschlag soll am Karfreitag stattfinden, am Tag der Kreuzigung des Propheten Isa. Ein genialer Einfall.«
»In der Tat«, bestätigte Ali begeistert.
»Das wird auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen«, fuhr Omar fort. »Ich nehme an, ihr seid bereit.«
»Ja«, erklärten die beiden wie aus einem Munde.
Omar gab jedem eine Tasche und umarmte sie erneut.
»Die Brüder in der Gruppe wissen euer Opfer zu schätzen. An eure Namen wird man sich noch nach Generationen erinnern. Jede dieser Taschen enthält eine halbe Million Euro.«
Mohammed und Ali sahen ihn verblüfft an. Wozu
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