Das Blut der Unsterblichen
unterscheiden konnte, von welcher Seite die Stimme kam. Sie erschrak, als er sich ganz plötzlich über den Rand des Daches beugte.
„Buh“, sagte er und lachte.
Kristina schrie auf und sprang zur Seite. Vincent schnappte nach ihr. Seine Krallen streiften ihren Oberarm. Das Sweatshirt zerriss, ein scharfer Schmerz schoss ihren Arm hinauf. Vincent lachte hämisch und zog sich zurück. Kristina presste sich gegen die Wand, der zerfetzte Ärmel tränkte sich mit ihrem Blut. Tränen rannen ihre Wange hinab.
„Ich kann deine Angst riechen, Kristina, und dein Blut.“ Vincent klang erregt. „Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, dich bis auf den letzten Tropfen auszusaugen, weißt du das? Und ich werde in deine Augen schauen, um zu sehen, wie das Lebenslicht darin verlöscht, während dein köstliches Blut in meinen Mund strömt.“
„Das wirst du bereuen“, schluchzte Kristina. „Marcus wird mich rächen.“
„Niemals“, sagte er, während er sich erneut über den Rand des Daches schob. Er sah sie an, sein bleiches Gesicht zu einer hämisch grinsenden Fratze verzerrt, die Nasenflügel gebläht. Die Fangzähne ragten über seine Lippen. „Bist du bereit zu sterben?“
Plötzlich flog er vom Dach und prallte hart auf den Waldboden. Sofort sprang er wieder auf, Arme und Beine gespreizt, die Zähne gebleckt. Marcus hüpfte vom Dach und landete nur wenige Meter von ihm entfernt.
„Lauf weg, Kristina“, rief er ihr zu.
Kristina wollte gehorchen, doch ihre Beine waren wie gelähmt. Gebannt starrte sie auf die beiden Unsterblichen.
Sie umkreisten einander, mal langsam, mal so schnell, dass es mit bloßem Auge schwer zu erkennen war. Dann stürzten sie aufeinander zu. Vincent stieß Marcus gegen einen Baum, der laut krachend splitterte und zerbarst. Marcus sprang wieder auf und trat Vincent in die Magengrube. Vincent wirbelte durch die Luft und prallte auf den Boden, schleuderte Moosklumpen und Erde auf. Sofort stürzte Marcus hinter ihm her. Wieder umkreisten sie einander. Plötzlich schoss Marcus vor und hieb mit seinen Krallen nach Vincents Kehle, doch er verfehlte sie und schlitzte stattdessen die Wange auf. Ein klaffender Spalt zog sich von Vincents Mund bis zu seinem Ohr hinauf. Dunkelrotes, zäh fließendes Blut quoll hervor. Vincent verzog das Gesicht vor Schmerz und Zorn und setzte zum Gegenschlag an. Marcus blockte seinen Hieb ab und stieß ihn von sich. Vincent stürzte. Er versuchte sich abzufangen, doch er konnte nicht verhindern, dass sein Kopf hart auf einem Baumstumpf aufschlug. Ein widerliches Knacken erklang, als sein Genick brach. Kristina stieß einen spitzen Schrei aus. Vincent gab einen gurgelnden Laut von sich und versuchte, sich aufzurappeln. Marcus trat auf ihn zu und blickte verächtlich auf ihn hinab. „Deine Knochen werden heilen, doch nicht schnell genug.“
Vincent brabbelte etwas Unverständliches und stemmte seinen Körper hoch. Sein Kopf fiel haltlos nach vorn.
„Diesen Auftrag hättest du lieber nicht annehmen sollen“, stieß Marcus hervor. Er zerrte Vincents Kopf hoch, holte aus und schlitze ihm die Kehle auf. Mit dem zweiten Hieb trennte er den Kopf vollständig vom Rumpf. Blut floss aus der Halsschlagader, jedoch nicht soviel, wie Kristina vermutet hätte.
Achtlos ließ Marcus den abgetrennten Kopf fallen. Kristina beobachtete entsetzt, wie er über den Waldboden rollte, gegen eine Wurzel prallte und auf einem Bett aus Moos zum Liegen kam. Sie beugte sich vor und erbrach sich. Marcus reichte ihr ein Taschentuch.
„Du bist verletzt“, sagte er mit einem Blick auf ihren blutgetränkten Ärmel.
Kristina schüttelte den Kopf und wischte sich schluchzend den Mund ab. „Es ist nur eine Fleischwunde. Was ist mit Frank?“
„Er hat es nicht geschafft.“
Kristina wimmerte leise. „Und die Frau?“
„Ich kann sie nicht mehr riechen und nicht mehr hören. Wahrscheinlich ist sie geflohen.“
Kristina spähte in den Wald hinein. „Wo ist Frank?“
„Er liegt dahinten. Er ist tot, Kristina.“
„Kann ich ihn sehen?“
Marcus schüttelte den Kopf. „Tu dir das nicht an.“
Tränen rannen ihre Wangen hinab. „Wie hast du mich gefunden?“
„Leila hat mich angerufen. Das war auch der Grund, warum ich früher zurückgekommen bin. Dein Handeln war sehr unvernünftig, Kristina“, seine Stimme klang vorwurfsvoll.
„Ich weiß“, schluchzte sie. „Ich bin so dumm gewesen.“
Ein beißender Geruch stieg in ihre Nase. Sie hob den Kopf. Dichte Rauchwolken
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